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Auf der Liste der Schwarzgeldzentren steht Deutschland auf Platz acht, noch vor Steuerfluchtzentren wie den Kanalinseln Jersey und Guernsey, Panama und den Bermudas.

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"Schattenfinanzindex" veröffentlicht: Deutschland für Steuerbetrüger besonders attraktiv

Deutschland eine Steueroase wie die Caymans? Der „Schattenfinanzindex“ des internationalen Tax Justice Network (TJN) zeigt, wo Geldwäsche und Steuerbetrug besonders gut funktionieren. Deutschland liegt auf Platz acht, noch vor Panama oder den Bermudas.

Wenn Deutschlands Finanzpolitiker sich über Steuerflucht und Geldwäsche ereifern, dann richten sie ihre Kritik stets gegen ausländische Regierungen. Luxemburg, die Schweiz oder die Cayman-Inseln gelten als die Übeltäter im internationalen Geschäft mit schwarzem Geld. Doch auch die Gesetzgebung und Behördenpraxis in Deutschland macht es Steuerbetrügern aus dem Ausland ausgesprochen leicht, ihr Geld und ihre Kapitalerträge vor dem Fiskus ihrer Heimatländer zu verstecken. Das ist eines der Ergebnisse der neusten Ausgabe des „Schattenfinanzindex“, den das internationale Tax Justice Network (TJN) heute veröffentlicht.

Demnach nimmt Deutschland auf dieser von der Organisation erstellten Liste der Schwarzgeldzentren einen prominenten achten Platz ein, noch vor Steuerfluchtzentren wie den Kanalinseln Jersey und Guernsey, Panama und den Bermudas. Das TJN ist ein weltweiter Zusammenschluss von Steuerexperten und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die seit zehn Jahren die dunkle Welt des Steuerfluchtgeschäfts erforschen und auf dessen Bekämpfung drängen.

Wie ermittelt das TJN diese Rangliste?

Für den Steuerbetrug mittels Geldanlage im Ausland seien „die jeweiligen nationalen Steuersätze nicht so wichtig“, erklärt der deutsche TJN-Fachmann Markus Meinzer. Entscheidend sei vielmehr, ob ein Staat es Ausländern erlaube, „ihre Identität geheim zu halten“, wenn sie Firmen, Konten oder Wertpapierdepots bei Finanzinstituten in diesen Ländern unterhalten. Damit könne „jedes Land die Steueroase für die Bürger aus alle anderen Staaten“ sein.

Das Ausmaß dieser Geheimhaltung messen die TJN-Experten anhand von 15 Kriterien. Dazu zählen unter anderem die Bereitschaft der örtlichen Behörden zum Austausch der Kontodaten von Ausländern mit Behörden aus deren Heimatländern oder die Erfassung und Weitergabe der Angaben über die Inhaber von Firmen und Depots. Daraus ergeben sich Werte auf einer Skala von Null bis 100. Die jetzt im Index ermittelte Spanne reicht von 32,4 für das vorbildliche Schweden bis 87,6 für die Südseeinsel Samoa, dem Spitzenreiter beim Geheimschutz für vermögende Ausländer.

Das allein sagt aber noch nichts über den tatsächlichen Umfang des Steuerfluchtgeschäfts aus. Um das zu erfassen, lassen die TJN-Forscher den Anteil der jeweiligen Länder am globalen Finanzgeschäft in die Bewertung einfließen. Je mehr grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen ein Land abwickelt, desto höher steigt es auch im Rang. Darum rangieren die Schweiz, Luxemburg und die Cayman-Inseln an der Spitze, weil sie sowohl starke Geheimhaltung bieten als auch große Anteile am Markt für internationale Finanzdienstleitungen haben.

Schon auf Rang sechs folgen dann jedoch die USA. Diese verfolgen zwar intensiv die Steuerflucht ihrer eigenen Bürger. Aber gleichzeitig bieten sie ausländischen Investoren in mehreren Bundesstaaten wie etwa Delaware weitgehende Anonymität und betreiben gut ein Fünftel des grenzüberschreitenden Finanzgeschäfts.

Warum ist Deutschland für Steuerbetrüger und Geldwäscher so attraktiv?

Genauso bietet auch das deutsche Recht ausländischen Steuerpflichtigen viele Möglichkeiten, ihr Geld zu verstecken. Anders als etwa in Großbritannien ist es hierzulande möglich, eine Aktiengesellschaft im Handelsregister einzutragen, ohne überprüfbare Angaben über die Aktionäre zu machen. Auch bei einfachen Kapitalgesellschaften in Form der GmbH genügt es, als Gesellschafter Firmen aus anderen Steueroasen eintragen zu lassen, die sich jeder weiteren Überprüfung entziehen. Anders als in Frankreich und anderen EU-Staaten erlaubt das deutsche Recht auch die Nutzung von Treuhandschaften, mit denen etwa Anwälte im Namen anonymer Investoren agieren, ohne dass diese irgendwo zentral erfasst würden. Gleichzeitig sind die meisten ausländischen Inhaber von Firmen und Konten in Deutschland von der Besteuerung freigestellt, wenn es ein Doppelbesteuerungsabkommen mit ihrem Herkunftsland gibt. Zahlen deutsche Finanzinstitute Gewinne an ausländische Konteninhaber aus, erfahren die Finanzämter davon nichts.

Nehme man all das zusammen, dann erfülle Deutschland „alle klassischen Merkmale einer Steueroase“, beklagt daher Markus Henn, Finanzmarktexperte und Koordinator des deutschen Netzwerks Steuergerechtigkeit.

Das entspricht auch den Erkenntnissen internationaler Ermittler. Nach einer Schätzung der „Financial Action Task Force“ (FATF) der OECD aus dem Jahr 2010 schleusen Kriminelle jedes Jahr zwischen 43 und 57 Milliarden Euro aus illegalen Quellen auf den deutschen Finanzmarkt. Deutschland zähle „schon seit mehreren Jahren zu den Ländern, die die Mafia sich ausgesucht hat, um ihr Geld zu investieren“, beklagte im vergangenen Jahr auch der sizilianische Staatsanwalt und Mafiaexperte Roberto Scarpinato.

Zugleich ist Deutschland auch ein bevorzugtes Zielland für die Fluchtgelder der Mitglieder von Unrechtsregimes aus aller Welt. So kam im Zuge der Aufstände in Nordafrika heraus, dass alle gestürzten arabischen Potentaten große Vermögen auf deutschen Konten geparkt hatten.

Was tut die Politik?

Trotz der Kritik in- und ausländischer Fachleute nahm die bisherige Bundesregierung das nicht wirklich ernst. Gleich 49 Maßnahmen hatte die FATF 2010 empfohlen, um die Missstände zu beheben. Nur fünf davon setzte die Regierung vollständig um, einige weitere nur teilweise.

Um Steuerbetrüger und kriminell erworbenes Geld aus dem Land zu treiben, sei es „unbedingt notwendig“, die Führung von Briefkastenfirmen grundsätzlich zu verbieten, fordert TJN-Experte Meinzer. Dafür bedürfe es eines echten Unternehmensregisters, in dem „verpflichtend die tatsächlichen Eigentümer und wirtschaftlich Berechtigten genannt werden“. Die gleiche Forderung stellt auch der Bund deutscher Kriminalbeamter. Und genau das wollen die Regierungen in Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien mit der anstehenden Reform der EU-Geldwäscherichtlinie europaweit einführen. Aber unter dem Druck der FDP verweigerte die schwarz-gelbe Bundesregierung bisher die Zustimmung. Ob es dabei auch mit dem neuen Kabinett bleibt, ist noch offen.

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