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Schengen-Erweiterung: Türen zu, die Polen kommen!

Morgen ist Polen offen und viele Grenzbewohner haben Vorbehalte. Anstatt diese zu zerstreuen, warnt das sächsische Innenministerium mit einem Flyer und tut gerade so, als drohe eine Invasion von Kriminellen.

Heute Nacht fallen in fast ganz Europa die Grenzen. Personalausweiskontrollen auf dem Weg nach Tschechien und Polen wird es künftig nicht mehr geben – umgekehrt ist es genauso. Bei vielen Grenzbewohnern weckt das alt bekannte Ängste. Um die Bürger vorzubereiten, hat das Innenministerium in Sachsen entlang der Grenze einen Flyer verteilt, den es auch im Internet gibt.

In dem Faltblatt stehen Tipps wie dieser: "Schließen Sie an Ihrem Haus/an Ihrer Wohnung alle Fenster und Türen, auch bei nur kurzer Abwesenheit, immer ab.“ Eigentum schützen, wachsam sein und verdächtige Wahrnehmungen sogleich notieren, so die wichtigsten Empfehlungen in der Kurzzusammenfassung. Einzig der Hinweis darauf, man solle die sächsischen Frauen einsperren, fehlt. Ministeriumssprecher Steffen Große begründet die Ratschläge mit dem großen Informationsbedürfnis entlang der Grenze.

Fragwürdige Strategie

Um sich ein Bild von den Sorgen der Bevölkerung zu machen, solle jeder selbst einmal in die Grenzregion fahren, so Große. Innenminister Albrecht Buttolo hat das getan. Vom ersten November bis vergangenen Montag war der CDU-Mann beinahe täglich in der Grenzregion unterwegs, um mit Polizei, Lokalpolitikern und Bürgerinitiativen zu sprechen. "Die größten Sorgen sind, dass die Kriminalität zunehmen könnte und die Sicherheit nicht mehr im gleichen Maße gewährleistet ist wie bisher", so Große.

Ob der Flyer allerdings dazu angetan ist, die Bevölkerung zu beruhigen, ist fraglich. Vielmehr schürt das Ministerium damit Ängste vor Polen und Tschechen, die höchstens noch für schlechte Witze herhalten. Selbst der Ministeriumssprecher gibt zu, dass sich ähnliche Befürchtungen schon früher nicht bewahrheitet hätten. Selbst Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ist vor dem Beitritt entspannt und erwartet sogar "mehr statt weniger Sicherheit“.

Das Reich der Legenden

Der sächsische Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi ist empört über den Flyer: "Ewige Schreckgespenster wie steigende Kriminalität und Terror sind höchstens geeignet, um die Bevölkerung nachhaltig zu verunsichern." Es gebe keine konkreten Anhaltspunkte, dass der Schengen-Beitritt Polens und Tschechiens zum Sicherheitsrisiko werde. Das hätten selbst die Chefs von Bundes- und Landespolizei erklärt: „Das gehört ins Reich der Legenden“, so Lichdi.

Die Flyer-Ratschläge sind allgemeine Präventionstipps der Polizei, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Schengen-Erweiterung stünden, erklärt Große. Sie würden immer wieder eingesetzt, um die Bürger zu sensibilisieren. Innenminister Buttolo betont in dem Flyer ausdrücklich, dass er sich freue, dass Europa mit der Grenzöffnung nun noch weiter zusammen rücke. Dennoch wolle er die Befürchtungen der Bürger ernst nehmen. "Sachsen ist ein sicheres Land und ich tue alles Notwendige dafür, dass das auch so bleibt.“ Auf die Idee, die Grenzgänger mit offenen Armen statt mit verschlossenen Türen willkommen zu heißen, ist er offensichtlich nicht gekommen.

Nicole Meßmer

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