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Politik: Scherf warnt SPD vor höheren Steuern

Sonderparteitag in Berlin: Linke will die Belastung von Vermögen erreichen / Trierer Bischof Marx für Sozialreform

Berlin. Am Vorabend des SPD-Sonderparteitags zur Agenda 2010 von Kanzler Gerhard Schröder hat der wiedergewählte Bremer Bürgermeister Henning Scherf seine Partei eindringlich ermahnt, das erwartete Votum für die Reformen zu akzeptieren und umzusetzen. Dies gelte vor allem für die Bundestagsfraktion. Scherf sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, der Umbau des Sozialstaats sei eine „riskante Operation am offenen Herzen“. Als notwendig bezeichnete auch der Trierer Bischof Reinhard Marx die geplanten Kürzungen von Sozialleistungen. 524 SPD-Delegierte entscheiden an diesem Sonntag über den Leitantrag der Parteispitze.

Von Martin Gehlen

und Robert von Rimscha

Scherf räumte ein, dass die SPD ein „riesiges Vermittlungsproblem“ habe, was die Notwendigkeit der Reformen angehe. „Wichtig ist vor allem, dass anschließend das Ergebnis auch respektiert wird“, sagte Scherf über die Abstimmungen auf dem in Berlin stattfindenden, eintägigen Sonderparteitag der SPD.

Zugleich deutete der Bremer Wahlsieger an, eine personelle Trennung der Ämter des Kanzlers und des Parteichefs solle überlegt werden. Er wandte sich, wie auch der niedersächsische SPD-Fraktionschef Gabriel, strikt gegen Steuererhöhungen. Die Erbschaftsteuer bezeichnete er als „sozialdemokratischen Fetisch“; eine höhere Mehrwertsteuer mache „keinen Sinn“. Über den Ex-Parteivorsitzenden Lafontaine, einen Befürworter von Steuererhöhungen zur Finanzierung staatlicher Ausgabenprogramme, sagte Scherf: „Wir müssten unseren Voodoo-Ökonomen Oskar mal auf Parteikosten nach Japan schicken. Seit Jahren geht dort ein Konjunkturprogramm nach dem anderen schief.“

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag forderte der Trierer Bischof Marx eine grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme. Der Politik warf er vor, ihr fehle der Mut, dies den Bürgern zu sagen. Die Politik habe schon viel Zeit verschlafen, sagte Marx. „Mindestens die Rentenanstiege, die wir bisher hatten, können nicht so weitergehen", sagte der Bischof. Er verstehe nicht, „warum die Politiker das der Bevölkerung nicht klipp und klar sagen“. Marx nahm Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger gegen den Vorwurf in Schutz, sie wollten sich in der sozialen Hängematte ausruhen. Dies sei nicht sein Menschenbild. „Die meisten Menschen wollen etwas tun. Aber sie finden nichts – sie haben keine Chance."

Unterdessen legte der Stuttgarter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU), der als Bundespräsidentschaftskandidat der Union gehandelt wird, ein eigenes Fünf-Punkte-Konzept zu nötigen Reformen vor. Teufel rief Schröder auf, entschlossen und notfalls auch gegen die Gewerkschaften das dringend Nötige durchzusetzen. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel bot Schröder eine „konstruktive Zusammenarbeit“ an und betonte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, es werde keine Blockade aus „parteitaktischen Gründen“ betrieben.

Die SPD entscheidet heute auch über einen Perspektivantrag mit längerfristigen Vorhaben. Die Parteilinke will mit Änderungsanträgen die Agenda 2010 noch entschärfen. Insbesondere für ihren Antrag zur Wiedereinführung der Vermögensteuer hält Linken-Sprecherin Andrea Nahles eine Mehrheit für möglich. Schröder hatte mehrfach mit seinem Rücktritt gedroht, falls das am 14. März vorgestellte Reformpaket keine Mehrheit erhält.

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