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Politik: Schilder-Streit

Bush und Putin wollen an der Ostsee über die geplante US-Raketenabwehr sprechen

Heiligendamm - Für Russland sind es mehr als nur zehn Raketen und eine Radarstation: Moskau sieht den geplanten US-Raketenschild in Europa als einen „Anschlag auf die nationale Sicherheit“. Entsprechend harsch fallen alle Äußerungen von Präsident Wladimir Putin aus, der in Heiligendamm am Rande des G-8-Gipfels mit US-Präsident George W. Bush über Konsequenzen reden will. Die Charmeoffensive aus Washington verhallte zunächst.

Die russische Seite bezweifelt, dass Putin auf seinem letzten G-8-Gipfel in dieser Frage einlenkt. Zu sehr habe sich der Präsident „festgelegt“, heißt es mit Blick auf das Nein zum US-Kooperationsangebot. Bush hatte kurz vor dem Gipfel versucht, den Streit beizulegen, indem er Moskau erneut anbot, bei der „reinen Verteidigungsmaßnahme“ mitzumachen.

Putins Stil wiederum weckt Erinnerungen an den Kalten Krieg: Er warnt, dass mit dem Raketenschild „die Möglichkeit zur Entfesselung eines nuklearen Konflikts sogar größer“ werde. Durch die Pläne Washingtons werde Moskau „gezwungen sein, zu reagieren“, umschreibt Putin die Folgen aus dem jüngsten Start einer Interkontinentalrakete neuen Typs. Mit der RS-24 besitzt Russland eine Waffe, die mit Mehrfachsprengköpfen ausgerüstet Entfernungen von 6500 Kilometern überwinden kann. Sie kann nach russischen Angaben problemlos den geplanten Schutzschild überwinden.

Am Rande des G-8-Gipfels in Heiligendamm relativierte Russland seine jüngste Drohung gegen Europa. Die Erklärung Putins, unter bestimmten Umständen Raketen wieder auf Ziele in Europa zu richten, sei rein hypothetisch gewesen, sagte ein Regierungssprecher.

Für US-Außenministerin Condoleezza Rice sind russische Bedenken gegenstandslos. Der Schild könne „keine Gefahr“ für Russland darstellen, sagt sie spitz. Ihr Moskauer Counterpart Sergej Lawrow teilt diese Einschätzung nicht. Schön sei aber, dass Washington beginne, den Ernst der Lage zu begreifen.

Bush ist in Heiligendamm um Entspannung bemüht. Schließlich braucht man Russland für die Lösung dringender außenpolitischer Fragen wie den Streit um das iranische Atomprogramm, Nordkoreas nukleare Aufrüstung, die neue Gewalt im Nahen Osten oder für die Lösung der Statusfrage für das Kosovo. Er versichert deshalb immer wieder, die Raketenabwehr richte sich „nicht gegen Russland“, mit dem man gute Beziehungen wünsche. Jedoch betonte er kurz vor Gipfelbeginn, die USA hielten sowohl am Raketenschild in Europa fest als auch an den bilateralen Gesprächen mit Tschechien und Polen. Darauf kontert Putin, wenn ein Teil des strategischen Nuklearpotenzials der USA nach Europa komme, werde auch Russland „neue Ziele bekommen“. Um Entspannung bemüht, bescheinigte dann der US-Präsident wiederum Russland vor Journalisten in Heiligendamm, keinen „Angriff“ auf Europa zu planen. Für den Westen gebe es „keine Notwendigkeit“, auf dieses Vorgehen Moskaus „militärisch zu reagieren“. Von Russland gehe keine „Bedrohung“ aus.

Die deutsche Präsidentschaft jedenfalls will das brisante Thema aus dem G-8-Treffen heraushalten. Und selbst angesichts des geplanten bilateralen Treffens von Bush und Putin hieß es in Regierungskreisen kurz angebunden: „Der Raketenschutz steht nicht auf der Agenda.“ A. Spangenberg (ddp) und AFP

A. Spangenberg (ddp), AFP

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