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Bloß weg hier. Familien aus Idlib versuchen, sich mit ihrem Hab und Gut in Sicherheit zu bringen.

© Aaref Watad/AFP

Schlacht um Idlib: Niemand wird Assad aufhalten

Der Angriff auf die Rebellen-Bastion Idlib steht bevor - und damit tausendfaches Leid. Europa hat sich mit Assads Regime arrangiert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Böhme

All die wortreichen Warnungen, beschwörenden Appelle und für die Öffentlichkeit inszenierten Verhandlungsrunden werden letztendlich nichts daran ändern: Der Sturm auf Idlib steht bevor. Die letzte Bastion der Aufständischen soll fallen. Koste es, was es wolle. Darin sind sich das Regime von Diktator Baschar al Assad und dessen Schutzmächte Russland und Iran einig.

Moskau nennt die Region ein „eiterndes Geschwür“, die Herrschenden in Damaskus sprechen von einer „unausweichlichen Pflicht“, das Gebiet zurückzuerobern, es damit von allen „Terroristen“ zu säubern. Teheran betont ebenfalls, der Kampf sei „unvermeidbar“.

Selbst eine Galgenfrist soll den drei Millionen Bewohnern verwehrt bleiben. Die Zeichen stehen also auf Sturm. Die letzte große Schlacht des Syrienkriegs wird bald beginnen. Und mit ihr Angst, Tod, Zerstörung, Leid und Flucht. Nicht nur tausendfach, sondern hunderttausendfach.

Denn in Idlib wird Assad noch einmal ein überall sichtbares Exempel statuieren. Will er zeigen, was jenen droht, die gegen ihn aufbegehren. Unterwerfen oder sterben, so sieht es das Regime. Doch dass sich die Regimegegner ergeben, ist nicht zu erwarten. Die vielen „Gotteskrieger“ – mehr als 10.000 gehören allein der Al Qaida nahestehenden Dschihadistenmiliz Haiat Tahrir al Scham an – werden es bestimmt nicht tun.

Die Terroristen sehen in der bevorstehenden Schlacht einen Schicksalskampf. Auch ein Großteil der gemäßigteren Opposition und der Zivilisten will auf keinen Fall künftig unter Assads Herrschaft leben. Denn sie wissen allzu gut, was ihnen als tatsächliche oder vermeintliche Aufständische droht.

Auf ein Leben in Sicherheit oder gar Versöhnung dürfen sie nämlich nicht hoffen. Stattdessen gab es in den Gebieten, die Damaskus’ Truppen wieder unter Kontrolle bringen konnten, offenbar vielfach willkürliche Festnahmen und Verhöre durch die staatlichen Sicherheitsdienste. Wer die Folterkeller überlebt, darf sich glücklich schätzen.

Irans Präsident Ruhani und sein russischer Amtskollege Putin wollen von einer Feuerpause nichts wissen.
Irans Präsident Ruhani und sein russischer Amtskollege Putin wollen von einer Feuerpause nichts wissen.

© Kirill Kudryavtsev/AFP

Kein Wunder, dass niemand in Idlib den Versöhnungsversprechen des Regimes und Russlands Glauben schenkt. Was nichts anderes als ein Massaker zur Folge haben dürfte. Eines, das die in Aleppo, Ost-Ghouta oder Daraa womöglich verblassen lässt.

Fest steht dabei längst auch: Niemand wird Assad aufhalten. Weder Donald Trumps Amerika noch die ohnmächtigen Vereinten Nationen oder das hilflose Europa. Ja, sie alle werden sich empören und über die entfesselte Gewalt wehklagen, ein schlechtes Gewissen wegen des eigenen Versagens inklusive.

Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Regierenden von Washington bis Berlin mit Assads Verbleib im Präsidentenamt arrangiert haben. Ebenso wie mit der kommenden Friedhofsruhe.

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