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Schlagabtausch zum Nachlesen: Grüne stimmen für schwarz-gelben Atomausstieg bis 2022

Die Grünen unterstützen den Atomausstieg der schwarz-gelben Regierung. Der Sonderparteitag beschloss mit großer Mehrheit den Leitantrag des Bundesvorstandes, in dem eine Zustimmung zur Atomnovelle empfohlen wird.

18:10 Uhr: Erleichterung macht sich breit. Die Partei hat sich dafür entschieden, den schwarz-gelben Atomausstieg zu unterstützen, die mehrstündige Debatte ist zu Ende. Es folgt noch einmal ein gefühliges Video, das die Entwicklung von Brokdorf bis Fukushima zeigt. Jürgen Trittin verfolgt es aus dem Hintergrund, die Arme verschränkt. Ein beinahe mildes Lächeln legt sich auf sein Gesicht. Erleichterung? "Wenn ich erleichtert wäre, wäre ich vorher ja angespannt gewesen. Das war ich nicht. Denn wir haben einen guten Antrag erarbeitet, der sich nun durchgesetzt hat", sagt Trittin dem Tagesspiegel. Dieser Parteitag zeige, dass die Grünen "entscheidungsfähig" seien und gute Diskussionen und Regierungsfähigkeit zusammenpassten.

17:52 Uhr: Am Ende verbarg sich hinter einem harmlosen Kürzel noch einmal echter Sprengstoff. A-01-136-5 lautete die Nummer eines Änderungsantrags, der es in sich hatte. Er wollte die Zustimmung zum Atomausstieg an die Bedingung knüpfen, dass es in den kommenden Tagen noch einmal Verhandlungen mit der Bundesregierung gegeben hätte und dabei "substanzielle Verbesserungen" erreicht worden wären. Die grüne Parteispitze wird sich bei Bärbel Höhn bedanken, dass es nicht so weit gekommen ist. Denn sie ist es, die mit einer knackigen Rede die Delegierten überzeugte, diesen Antrag abzulehnen. Höhn bezeichnete die Forderung als das, was sie gewesen wäre: "ein verkapptes Nein." Ein solcher Antrag hätte Illusionen geschürt, sagt Höhn. Er hätte die grundsätzliche Entscheidung für die Zustimmung konterkariert. "Lasst uns politisch erfahren sein. Dieser Antrag aber ist, mit Verlaub, naiv", ruft Höhn und erntet lauten Applaus. Jürgen Trittin klatscht eifrig und nickt. Nun, da der Änderungsantrag abgelehnt ist, hat sich die Parteispitze weitgehend durchgesetzt. Claudia Roth ist die Erste auf dem Podium, die von ihrem Stuhl aufspringt und die Arme in die Höhe reißt.

17:05 Uhr: Auch Winfried Kretschmann und Cem Özdemir, der neben Claudia Roth die Partei führt, haben ihr Bestes getan, die Delegierten zur Zustimmung zu bewegen. Nun kann die Parteispitze einen ersten Teilerfolg verbuchen. Denn die Delegierten stimmen mit recht klarer Mehrheit für den Leitantrag des Bundesvorstandes als Grundlage für die weiteren Beratungen. Dass die Grünen damit dem schwarz-gelben Ausstieg zustimmen, ist noch nicht gesichert - denn es liegen derzeit hundert Änderungsanträge vor. Über sie alle müssen die Delegierten noch abstimmen, und einige von ihnen könnten den Leitantrag in wichtigen Punkten verändern. Per Änderungsantrag könnte beschlossen werden, dem Atomausstieg nur zuzustimmen, wenn mit der Bundesregierung noch einmal verhandelt wird und dabei deutliche Verbesserungen erreicht werden. Faktisch würde ein "Ja" so zum "Nein" - denn die Bundesregierung wird wohl kaum das Gesetzespaket noch einmal aufschnüren.

15:55 Uhr: Vielleicht ist dies der Höhepunkt des Parteitags. Ob es zu einem Wendepunkt wird, ist noch offen. Es ist das Duell Hans-Christian Ströbele gegen Renate Künast. Es ist das Duell Ablehnung gegen Zustimmung. Ströbele geht als Erster in den Ring. "Ist das gut genug nach Fukushima?", fragt er. Alle zusammen hätten sie für den Atomausstieg 2017 demonstriert - als Konsequenz aus dem, "was sehr viel schlimmer war, als wir es uns in unseren Alpträumen hätten vorstellen können", sagt Ströbele. Es gibt Applaus. Lange, sehr lange sogar. Ströbele bekommt Angst. Die rote Lampe an seinem Rednerpult leuchtet auf, sie soll ihm signalisieren: deine Zeit, deine Redezeit ist vorbei. Aber er macht weiter. Wie immer. "Wir wollen 2017 raus. 1825 Tage mehr Laufzeit sind zu viel. Wie glaubwürdig ist es, für 2017 zu demonstrieren und dann für 2022 zu stimmen?", ruft er. Dann brandet Applaus auf. Immer und immer wieder. Plötzlich schallt es "Abschalten, abschalten" durch den Saal. Viele Delegierte stehen auf. Ströbele geht von der Bühne und am Rand wartet schon Künast. Er zuckt mit den Schultern, nach dem Motto: "Tut mir leid, ich kann nicht anders." Aber auch sie kann nicht anders. Künast erinnert an den vergangenen Herbst, als die Laufzeiten verlängert wurden, als man zusammen demonstriert habe. Dann der erste Treffer: "Die Energiewende ist grün und nicht schwarz-gelb." Sie wirbt um Zustimmung. Als "hinterhältig" und "schamlos" werde man alles ablehnen, was gegen die Interessen der Grünen sei - "aber den größten anzunehmenden Unfall der deutschen Politik, die Laufzeitverlängerung, drehen wir zurück". Mit einem Karl-Marx-Zitat, das im Foyer der Humboldt-Universität an der Wand hängt, wendet sie sich noch einmal an Ströbele: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern." Künast gibt sich kämpferisch und verspricht den Delegierten: Am Donnerstag, wenn im Bundestag über die Atom-Gesetze abgestimmt wird, "fühlen wir uns wie Popeye, der eine Dose Spinat gegessen hat". Auch sie bekommt donnernden Applaus, viele Delegierte stehen auf. Künast steigt auf einen Stuhl und nimmt den Jubel entgegen. Und was sagt das alles? Es bleibt eng.

14:22 Uhr: Im Moment wird die Debatte um Anträge und Änderungsanträge von einer Frage überlagert: Wie lang ist diese Schlange noch? Ob bei den Vegetariern, bei der Würstchen-Fraktion oder bei den Kaffeetrinkern: Schlange stehen ist für die Grünen angesagt. „Stehen bleiben, stehen bleiben“, lautet also das Motto.

14:12 Uhr: Auch für Jürgens, den Delegierten aus Hameln-Pyrmont, geht es jetzt um die Frage: Welchen Antrag unterstützen die Grünen? Den des Bundesvorstandes, der „Ja, aber…“ sagt - oder einen anderen. Als mögliche Alternative gilt ein Antrag, der dem des Bundesvorstandes sehr nahe kommt, aber ein Ausstiegsdatum 2017 vorsieht und Nachverhandlungen fordert. Dies aber wäre eine Niederlage für die Parteispitze. Damit rechnet selbst Tom Jürgens nicht mehr. „Aber es wird knapp“, sagt er.

14:02 Uhr: Tom Jürgens ist nicht sonderlich begeistert vom Auftritt Trittins. Dabei kommen die beiden aus demselben Landesverband: Niedersachsen. Aber der Delegierte aus Hameln-Pyrmont hat eine andere Vorstellung von diesem Nachmittag. Vor seiner Haustür steht das AKW Grohnde und das, sagt Jürgens, wäre nach den ursprünglichen Plänen der Grünen im 2017 abgeschaltet worden. Kommt es zum schwarz-gelben Ausstieg, liefe das Werk vier Jahre länger. „Das kann ich nicht unterstützen“, sagt er. Vor seinem Tisch steht ein Plakat mit der Aufschrift: „Grohnde ist überall – Atomkraft nein danke!“ Luftballons schmücken seinen Tisch. Aber er weiß, in welchem Dilemma seine Partei steckt. „Es ist ja richtig, dass es positiv ist, jetzt rauszugehen und die ältesten Meiler auszuschalten.“ Trotzdem ist er nicht für die Pläne des Bundesvorstandes. „Wir können schneller aussteigen als bis spätestens 2022.“ Er hat eine Sorge: Wenn die Betreiber mit ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht recht bekämen, wäre alles obsolet. „Dann werden die Wähler fragen, wie konntet ihr das mitmachen – ihr seid doch die Experten. Es geht um Ehrlichkeit gegenüber dem Wähler.“ Die Führungsspitze seiner Partei habe zu schnell Zustimmung signalisiert.

13:32 Uhr: Auftritt Jürgen Trittin. Es ist am Fraktionschef der Grünen, seine Partei davon zu überzeugen, dem schwarz-gelben Atomausstieg zuzustimmen. Etwas leise ist er zunächst. Aber das gibt sich schnell. Er berichtet von seiner Reise vergangene Woche nach Japan. Er erzählt von den Fischern, die nicht mehr fischen können, von Stromausfällen und Menschen, die von Notunterkunft zu Notunterkunft reisen müssen. „Niemand kann da noch behaupten, Atomkraft sei preiswert und sorge für Versorgungssicherheit.“ In Japan würde Deutschland als das Land gesehen, dass die Konsequenzen aus „ihrer“ Katastrophen ziehe. Und warum sei das möglich? „Das liegt an uns, an der Anti-AKW-Bewgeung, der Umweltbewegung und an den Grünen“, sagt Trittin. „Wir haben Frau Merkel gezwungen, nach ihrem Herbst der Entscheidung eine 180 Grad-Wende vorzunehmen.“ Kämpferisch ist er. Konzentriert. Und sein Publikum nimmt es auf. Immer wieder Applaus, Jubelrufe. „Warum kann das Deutschland alles?“, fragt er. Und hat die Antwort natürlich parat: „Auch das hat mit den Grünen und nicht den Schwarz-Gelben zu tun.“ Warum sei es möglich, acht AKWs einfach abzuschalten? „Weil wir vor zehn Jahren gegen den Willen von Angela Merkel ein Erneuerbare-Energien-Gesetz durchgesetzt haben.“

Die Bundesregierung habe nur zur grünen Gesetzeslage zurückkehren müssen, deshalb sei das alles jetzt möglich. Er verspricht seiner Partei, weiter zu kämpfen – gegen Gorleben, gegen Hermes-Bürgschaften für ausländische Atomkraftwerke und für erneuerbare Energien. Und weil die Union das alles nicht könne, „können wir mit denen auch nicht regieren, sondern nur rückstandslos abwickeln: Das ist die schlechteste Regierung seit Bestehen der Bundesregierung“, ruft Trittin. Er erinnert an Anträge und Gesetzentwürfe der Grünen in den vergangenen Wochen: für eine Rücknahme der Laufzeitverlängerung, für die Abschaltung der acht ältesten Meiler und für ein Ende der Zockerei bei der Übernahme der Reststrommengen. All das sei jetzt möglich. „Wie glaubwürdig wäre es, wenn wir jetzt gegen unsere eigenen Anträge und Gesetze stimmen?“ Zum Schluss sein Appell: „Lasst uns den nächsten Donnerstag zu einem grünen Donnerstag machen.“ Der Applaus ist energisch. Er geht zurück ins Plenum, winkt den Delegierten zu. Jubelposse. Erleichterung. Hoffnung. Ob es langt, ist aber noch unklar. Aber nach Trittins Beitrag ist erst einmal eine andere Stimmung eingetreten: Viele Delegierte machen sich auf zum Mittagessen.

13:20 Uhr: Auftritt eines Mannes, der mittlerweile als Elder Statesman gilt: Klaus Töpfer, Ex-Umweltminister und Vorsitzender der Ethik-Kommission zur Energiewende. Herzlich ist der Empfang. Es sei das erste Mal, dass er auf einem Parteitag der Grünen sei. Er habe „Respekt vor der Entscheidung, einen solchen Sonderparteitag zu machen“, sagt Töpfer. Und er sei gerne bereit, bei Sonderparteitagen anderer Parteien zum Thema Energie zu sprechen. Er muss aber keine Angst haben, an den nächsten Wochenenden ausgebucht zu sein. Denn außer bei den Grünen wird es keine anderen Sonderparteitage geben. Töpfer sagt gleich zu Beginn, dass es der Ethik-Kommission gut getan hätte, einen Grünen in ihren Reihen zu haben. Im Saal kommt das natürlich gut an. Töpfer erinnert daran, wie wichtig der Ausstieg sei und spricht davon wie „großartig“ das Erneuerbare Energien-Gesetz sei, das Rot-Grün seinerzeit verabschiedete. Am Ende sein Appell: Einige würden glauben, der Lackmustest für den Ausstieg sei die Frage, wie schnell es gehe. „Aber entscheidend ist, dass er gelingt.“ Und es gehe um die Botschaft und die Erwartungen im Ausland: „Wenn ihr das in Deutschland hinkriegt, das wäre das entscheidende Signal an die Welt.“

13:19 Uhr: Eines lässt sich bereits jetzt feststellen: Das iPad hat die Strickliesel bei den Grünen bereits abgelöst.

13:15 Uhr: Die Botschafter werden begrüßt aus: Japan, Chile, den USA, Frankreich (hier buhen einige wegen der französischen Atompolitik), Algerien, Angola, Argentinien, Bosnien-Herzegowina, Ecuador.

13:00 Uhr: Anton Hofreiter, Bundestagsabgeordneter aus Bayern, bietet der Grünen Jugend Paroli. „Selbstverständlich verhandeln wir“, ruft er in den Saal. „Der Atomausstieg ist kein Erfolg von Merkel oder Schwarz-Gelb, sondern das ist unser Erfolg. Ihr habt das erreicht, nicht Schwarz-Gelb.“ Die Fraktion habe verhandelt und etwas erreicht. „Ich möchte Ja sagen können am Donnerstag im Bundestag zur Rücknahme der Laufzeitverlängerung, zur Abschaltung der ältesten Meiler“, sagt er mit rauer Stimme. In der Summe sei der Ausstieg überzeugend, und „natürlich werden wir 2013 nicht mit der Anti-Atompolitik aufhören“. Natürlich werde man sich für ein Endlagersuchgesetz einsetzen, in dem standortunabhängig gesucht werde, selbstverständlich werde weiter Druck ausgeübt. Auch Hofreiter bekommt viel Jubel und Applaus. Entweder diese Partei findet irgendwie alles gut und ergötzt sich an sich selbst. Oder die Lager sind pari pari verteilt.

12:15 Uhr: Nun beginnt der offene Streit. Gesine Agena, Sprecherin der Grünen Jugend, zündet die ersten Funken auf diesem Parteitag. „Mir geht das zu Herzen, wenn vor der Halle so wichtige Teile der Anti-AKW-Bewegung, mit denen wir vor Wochen noch gemeinsam demonstriert haben, uns jetzt vor der Entscheidung warnen, dem schwarz-gelben Ausstieg zuzustimmen“, sagt sie. Und sie fragt: „Warum sollen wir einem Konsens beitreten, wenn mit uns weder darüber gesprochen noch darüber verhandelt wird?“ Es wird laut in der Halle. An den Bundesvorstand der Grünen richtet sie die Frage: „Wann seid ihr, liebe Claudia, lieber Jürgen, liebe Renate und lieber Cem, mal aus dem Kanzleramt nach einer harten Verhandlungsnacht gekommen und habt etwas erreicht? Wir haben uns von Merkel erzählen lassen, was Sache ist. Wenn die Bundeskanzlerin nicht den Mut hat, mit uns zu reden, verdient dieser Ausstieg nicht unsere Zustimmung.“ Laute Pfiffe und langes Klatschen folgen. Auch Winfried Kretschmann, den grünen Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg, kritisiert sie scharf. „Ein Ministerpräsident denkt zuerst an sein Land, dann an sein Land, dann an sein Land und erst dann an seine Partei. Deshalb ist eine Verhandlung mit einem grünen Ministerpräsidenten noch lange keine Verhandlung mit der Partei ‚Bündnis 90/Die Grünen‘.“ Wieder Applaus. Lange. Und intensiv. Jeder Tag, den „diese Dinger“ länger liefen, sei einer zuviel. „Und wer weiß denn, was CDU und CSU im Jahr 2021 denken? Das ist doch absurd, zu glauben, dieser Ausstieg sei unumkehrbar“, sagt sie zum Schluss. Es wird gegrölt und gepfiffen. Und der Applaus fällt länger aus als der für Claudia Roth. Der Druck auf Jürgen Trittin, die Partei zu überzeugen, dürfte wachsen.

12:00 Uhr: Claudia Roth wie sie leibt und lebt. Sie hat versucht, alle mitzunehmen, etliche Male hat sie von den „lieben Freundinnen und Freunden“ gesprochen und ihre Stimme hochgejagt. „Wo sitzen denn die Energieexperten, die seit dreißig Jahren auf Abschaltung der hochgefährlichen Atomkraftwerke hinarbeiten? Die sitzen heute hier“, sagt sie. Sie verspricht einen Parteitag, „wie wir ihn kennen und lieben, wir werden uns nichts schenken und es uns nicht leicht machen. Aber, liebe Freunde, heute ist Berlin und nicht Göttingen.“ Damit spielt sie auf jene Bundesdelegiertenkonferenz an, auf der es zu heftigen Auseinandersetzungen um den Afghanistan-Einsatz gekommen war. Sie erinnert noch einmal an die „Einsätze“ der Grünen in Wackersdorf und Brokdorf, an tieffliegende Hubschrauber und Wasserwerfer. Als „Spinner, Chaoten und Träumer“ sei man diffamiert worden. Es habe geheißen, mit den Grünen an der Macht gingen die Lichter aus. „Hoffentlich geht denen heute endlich mal ein Licht auf“, sagte Roth. Sie fordert ihre Partei auf, den Antrag des Bundesvorstandes zu unterstützen, der eine Art „Ja, aber“ zum schwarz-gelben Ausstieg ist. „Das ist kein Blankoscheck“, sagt Roth. Natürlich sei man für einen früheren Ausstieg, jedoch: „Der Ausstieg geht schneller als der rot-grüne.“ Die Grünen hätten die Wahl zwischen Zustimmung und Ablehnung, und „ein konditioniertes Ja ist kein Nein“. Wer dem Antrag des Bundesvorstands folgt, kann der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel trotzdem kritisch gegenüberstehen, das will Roth signalisieren. „Was würde passieren, wenn die Partei mit Nein stimmt?“, fragt Roth. „Enttäuschen wir nicht viele, viele Menschen auch im Ausland, die erwarten, dass wir Grünen zustimmen, wenn eine Entscheidung in die richtige Richtung geht - dass wir Politik auch aus der Opposition heraus gestalten?“ Am Ende ihrer Rede erhält Roth immerhin herzlichen Applaus.

11:30 Uhr: „Oben bleiben, oben bleiben“, grölten einige höhnisch, als der Wind die Plakate der Demonstranten vor der Messehalle umwehte. Das kleine Malheur war schnell behoben. Dann stand die Kulisse wieder. Sie sollte zeigen, dass der Atomausstieg möglicherweise beschlossen wird, die Anti-AKW-Bewegung damit aber noch lange nicht am Ende ist. Massiv aber war der Widerstand nicht. Knapp hundert Leute versammelten sich mit Plakaten und Fahnen. Aber wirklich Angst und Bange musste es keinem der Grünen-Delegierten werden.

Demonstranten haben den Hammelsprung im Bundestag nachgeahmt und zwei Eingänge konstruiert: „Ja“ oder „Nein“ zum schwarz-gelben Atomausstieg. Wer durch den „Nein“-Eingang lief, wurde mit Applaus bedacht. Doch der erwartete große Protest vor der Halle blieb aus. In der Halle hat die „Außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz“ begonnen. Nur einige wenige irren noch umher, auf der Suche nach fair gehandeltem Kaffee. Der Rest der Delegierten sitzt längst in der Halle.

Claudia Roth begrüßt alle herzlich. Winfried Kretschmann, der erste grüne Ministerpräsident, und Hans-Christian Ströbele, der Berliner Alt-Linke, begegnen sich kurz auf dem Gang. Ein kleiner Klapps, das war es. Mehr haben sich die beiden wohl auch nicht zusagen. Denn während der eine für Schwarz-Grün wirbt, ist der andere dafür, den schwarz-gelben Atomausstieg abzulehnen. Einige sprachen vor dem Parteitag von einer Zerreißprobe, andere versuchten die Problematik herunter zu spielen. Klar ist aber: Lehnen die Grünen den Atomausstieg bis 2022 ab, ist das eine derbe Klatsche für die Parteiführung - und eine heftige Debatte um die Regierungsfähigkeit der Grünen wird folgen.

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