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Politik: Schlecht fürs Geschäftsklima

Venezuelas Präsident Chavez verstaatlicht die ausländischen Erdölanlagen – die Konzerne müssen künftig mehr Steuern zahlen

Eine Minute nach Mitternacht war es so weit: Rotgewandete Arbeiter der staatlichen venezolanischen Erdölgesellschaft PDVSA nahmen angeführt von Erdölminister Rafael Ramirez am Dienstag die Installationen der ausländischen Erdölmultis ein und überführten sie „dem Staat und dem venezolanischen Volk“. Die Erdölarbeiter seien die Avantgarde des Sozialismus, sagte Ramirez. „Venezuela ist frei, unser Öl gehört uns, dank der bolivianischen Revolution“, verkündete bei einer extra angesetzten Veranstaltung am Nachmittag Präsident Hugo Chavez vor jubelnden Anhängern. Er setzte damit einen Schlussstrich unter die in den 90er Jahren eingeleitete Öffnung des Erdölsektors für private Investoren.

Diese Politik sei nichts anderes als ein Versuch des Imperialismus gewesen, sich die größten Erdölreserven der Welt zu sichern, erklärte der Linksnationalist. Überraschend kam die Verstaatlichung freilich nicht: Im Gegensatz zu Bolivien, wo voriges Jahr die Erdgasanlagen erst besetzt und anschließend neue Verträge ausgehandelt wurden, beschritt Venezuela den diplomatischeren Weg. Bereits vor einigen Tagen wurde die neuen Verträge mit 13 der 10 Ölmultis unterzeichnet, die in Venezuela weiterhin als Minderheitseigner tätig sein werden und höhere Steuern abführen, darunter auch die deutsche Veba Öl. Bisher nicht unterzeichnet haben Conoco Philipps aus den USA, die italienische ENI und Petrocanada, die noch eine Gnadenfrist bis Juli haben.

Trotz erheblicher Einnahmeverluste ließen sich die meisten Konzerne auf Chavez Ansinnen ein, um überhaupt weiterhin in Venezuela und insbesondere dem Orinoco-Gürtel präsent zu sein, wo die nach Saudi-Arabien größten Erdölreserven der Welt vermutet werden. Derzeit betreiben staatliche Konzerne befreundeter Nationen – darunter China, Brasilien und Argentinien – dort Untersuchungen. Bis 2008 will die Regierung eine Kapazität von 260 Milliarden Barrel zertifizieren lassen. Zwar handelt es sich um Schweröl, das vor der Raffinierung eines zusätzlichen Reinigungsschrittes bedarf, doch der hohe Erdölpreis macht auch diese Zusatzinvestition rentabel. Die Multis haben bisher rund 25 Milliarden Dollar am Orinoco-Gürtel investiert und fördern und reinigen 600 000 Fass Öl täglich. Insgesamt produziert Venezuela der Opec zufolge 2,6 Millionen Fass pro Tag, die Hälfte davon wird in die USA exportiert. Nach Ansicht der Rating-Agentur „Standard and Poor’s“ verschlechtert die Verstaatlichung das Geschäftsklima in Venezuela. Außerdem gingen dem Erdölsektor dadurch Technologie und Managementerfahrung verloren, da die Multis ihre Investitionen voraussichtlich einschränken würden und nicht gesichert sei, dass PDVSA dies ausgleichen könne. Die USA, deren Konzerne hauptsächlich betroffen waren, reagierten säuerlich. „Chavez gräbt am Grab für sein eigenes Volk“, kommentierte ein Außenamtssprecher.

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