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Fröhlich. Annegret Kramp-Karrenbauer am Mittwoch im saarländischen Landtag. Foto: dpa

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Politik: Schlechter Sommer für Jamaika

Am Ende kann Saarlands neue Ministerpräsidentin lachen – aber die Koalition sucht jetzt die Abweichler

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat am Mittwoch bestimmt an Heide Simonis (SPD) gedacht, als sie im ersten Wahlgang im Saarbrücker Landtag scheiterte. Im zweiten Anlauf wurde sie dann doch zur Ministerpräsidentin gewählt. Simonis, die 2005 mit einer Wiederwahl im Landtag gescheitert war, kommentierte die Wahl mit den Worten: „Frauen müssen immer mit dem Schlimmsten rechnen.“

Nach ihrer Wahl sprach sich die neu gewählte Nachfolgerin von Ministerpräsident Peter Müller erst einmal selber Mut zu: „Als Mutter von drei Kindern weiß ich, dass die schwersten Geburten die schönsten Kinder auf die Welt bringen.“ Eine Stunde zuvor sah es ganz anders aus. Kramp-Karrenbauer und der SPD-Fraktionsvorsitzende Heiko Maas, der erst kurz vor Beginn der Sitzung als Gegenkandidat angetreten war, erhielten im ersten Wahlgang jeweils 25 Stimmen bei einer Enthaltung. Damit verfehlte die CDU-Politikerin die notwendige Mehrheit von 26 Stimmen. Der Jamaika-Regierungskoalition waren unerwartet zwei Stimmen abhandengekommen. Die Koalition von CDU, FDP und Grünen hat eigentlich eine sichere Mehrheit von 27 zu 24 Stimmen.

Die Sitzung wurde für eine Stunde unterbrochen, CDU, FDP und Grüne trafen sich nach kurzer Schockstarre zum Krisengespräch. Teilnehmer berichteten hinterher, die Betroffenheit sei groß gewesen. Allen Beteiligten sei vor Augen geführt worden, was im Falle einer Niederlage an Konsequenzen drohe. Kramp-Karrenbauer kündigte an, nur noch für einen weiteren Wahlgang zur Verfügung zu stehen. Sie wollte nicht das Schicksal der früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis teilen.

Nach dem zweiten Wahlgang zunächst großes Aufatmen bei CDU, FDP und Grünen: Mit 26 zu 25 wurde Kramp-Karrenbauer zur Nachfolgerin von Peter Müller gewählt. Damit ist die 49-Jährige nach Christine Lieberknecht (CDU) in Thüringen und Hannelore Kraft (SPD in Nordrhein-Westfalen die dritte Frau an der Spitze einer Landesregierung. Die Freude darüber ging bei Kramp-Karrenbauer aber einher mit dem Makel, dass der Jamaika-Koalition rechnerisch immer noch eine Stimme fehlte und aus einer sicher geglaubten Wahl ein Stotterstart wurde. Sie werde auf Kommunikation und Überzeugungsarbeit setzen und keinen generellen Gehorsam fordern, sagte Kramp-Karrenbauer danach.

Der SPD-Mann Maas genoss seinen kleinen Triumph sichtlich: „Eigentlich bin ich der Gewinner dieser Wahl.“ Unterstützung bekam er von den Linken unter Fraktionschef Oskar Lafontaine: „Der heutige Tag hat gezeigt, dass die Jamaica- Koalition geschwächt ist.“ Er habe Maas darin bestärkt, als Gegenkandidat anzutreten. Großes Rätselraten gab es allerdings darüber, was im Falle eines Wahlsieges von Maas passiert wäre. Dann wäre er zwar Ministerpräsident gewesen, doch für eine Mehrheit im Landtag hätten für Rot-Rot drei Stimmen gefehlt. Dann also eine große Koalition?

Alles Spekulationen, ebenso wie die nach den Gründen für den verpatzten Start der Ministerpräsidentin. Der FDP- Landesvorsitzende Oliver Luksic wehrte alle gegen seine Partei gerichteten Überlegungen ab. „Wir wären ja schön blöd. Wir hätten doch am meisten zu verlieren.“ Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Hubert Ulrich machte klar: „Von uns war es keiner.“ Bleibt also nur die CDU, die offenbar in ihren Reihen mindestens zwei unzufriedene Leute hat. Sei es über den Kurs des Jamaika-Bündnisses, das Peter Müller am Vortag bei seinem Abtritt von der politischen Bühne noch als klar definiertes politisches Projekt mit großem Vertrauen der Partner untereinander gelobt hatte. Oder der Frust von Politikern über nicht erfüllte Karrierepläne bei der bevorstehenden Kabinettsumbildung. Der CDU-Fraktionschef Klaus Meiser versuchte abzuwiegeln: „Verdächtigungen haben keinen Sinn. Ich bin ganz sicher, dass diese Koalition in Sachfragen steht.“

Das mag sein. Aber nach zwei Jahren zeigen sich erste Risse. Offenbar haben einige in der CDU das Gefühl, dass in der Jamaika-Koalition zu viel Grün steckt. Darauf deuten unter anderem Diskussionen über den „Masterplan Energie“ für die Zeit nach dem Atomausstieg hin, der kurz vor den Sommerferien nach teils heftigen koalitionsinternen Diskussionen verabschiedet worden war. Es kann gut sein, dass sie der ersten Frau an der Spitze von Landesregierung und Partei eine Warnung vor zu viel Nachgiebigkeit vor allem gegenüber den Grünen verpassen wollten. Beides spricht gegen Müllers am Anfang der Jamaika-Koalition geäußerte Botschaft, dies sei ein wegweisendes neues Kapitel in der deutschen Parteienlandschaft. Die SPD und ihr Landesvorsitzender Maas dürfen sich dagegen über einen gelungenen Coup freuen.

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