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Politik: „Schleppend und uneben“

EU rügt Behinderung von Reformen durch türkische Bürokratie

Istanbul. Die türkische Regierung hat „revolutionäre“ Reformen zur Demokratisierung des Landes eingeleitet, muss aber noch hartnäckigen Widerstand im Staatsapparat überwinden, um sie in die Praxis umzusetzen und Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union aufnehmen zu können. So lautet der Tenor des EU-Fortschrittsberichtes zur Türkei, der am nächsten Mittwoch in Brüssel vorgestellt werden soll, aber schon jetzt von türkischen Medien publik gemacht wurde. „Die Umsetzung (der Reformen) ist bisher schleppend und uneben verlaufen“, lautet ein Kernsatz in dem Kommissionsbericht. Die Hauptkritik zielt auf die Kräfte des Beharrens im türkischen Staatsapparat: die Bürokratie und das Militär. Bis die von der Regierung eingeleiteten Reformen beim Bürger ankämen, hätten sie durch die schwerfällige Arbeitsweise und die restriktive Auslegung der Bürokratie einen Großteil ihres Schwungs verloren, heißt es in dem Bericht.

Die Kommission nennt viele Beispiele. So gebe es zwar das neue Recht, kurdische Vornamen eintragen zu lassen – dieses werde durch das Verbot der im türkischen Alphabet nicht enthaltenen Buchstaben w, x und q aber wieder entwertet. Die Armee nehme weiter Einfluss auf die Politik, heißt es im Bericht. Zudem gebe es nach wie vor willkürliche Verhaftungen und Folter.

Die türkische Regierung bestreitet diese Schwierigkeiten nicht. „Es ist ein objektiver Bericht“, kommentierte Außenminister Abdullah Gül. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte weitere Anstrengungen zur Umsetzung der Reformen an. „Noch nicht einmal eine Minute“ habe die Türkei mit innenpolitischem Gezänk zu verlieren, sagte Erdogan nach Bekanntwerden des EU-Berichts.

Der Ministerpräsident spielte damit auf den jüngsten Kopftuch-Streit in Ankara an: Die meisten Parlamentsabgeordneten von Erdogans Regierungspartei AKP hatten den traditionellen Empfang des Staatspräsidenten zum Nationalfeiertag am Mittwoch boykottiert. Grund für den Eklat war die Entscheidung von Präsident Ahmet Necdet Sezer, keine Kopftuch tragenden Frauen einzuladen. In der Auseinandersetzung um das Kopftuch entladen sich die seit Monaten wachsenden Spannungen zwischen Sezer und der Armee auf der einen und Erdogans islamisch geprägter AKP auf der anderen Seite.

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