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Schleswig-Holstein: Carstensen genießt kein Vertrauen mehr

Der Kieler Regierungschef Carstensen erreicht sein Neuwahl-Ziel – trotz eines Abweichlers in den eigenen Reihen. Zuvor gab es einen heftigen Schlagabtausch im Parlament.

Der Weg für Neuwahlen des schleswig-holsteinischen Landtages ist frei. Das tagelange Gezänk darum fand am Donnerstag ein Ende, als Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) am Mittag die von ihm gestellte Vertrauensfrage verlor. Stunden später verlas Carstensen sein Schreiben zur vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode.

Geschlossen stimmten SPD, FDP, Bündnis 90/Grüne und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) mit Nein, die CDU-Fraktion enthielt sich; nur Landtagspräsident Martin Kayenburg (CDU) votierte mit Ja. Er begründete sein Abstimmungsverhalten damit, dass er weiterhin Vertrauen in die schwarz-rote Regierung und in den Ministerpräsidenten habe, schließlich sei am vergangenen Mittwoch immerhin noch geschlossen ein Nachtragshaushalt für 2009/10 verabschiedet worden. Offenkundig haben ihn auch verfassungsrechtliche Zweifel zu seinem Votum bewogen.

Die SPD hatte nach einem verbalen Schlagabtausch namentliche Abstimmung beantragt, was dem Showdown zusätzliche Spannung verlieh. Als der Regierungschef sich dabei enthielt, brandete Gelächter auf. Sein Unions-Finanz- und neuerdings auch Innenminister Rainer Wiegard, der ebenfalls noch ein Abgeordnetenmandat hat, tat es ihm gleich. Am Ende standen neben Kayenburgs Ja 28 Enthaltungen und 37 Nein-Stimmen. Drei Abgeordnete des 69-köpfigen Parlaments waren entschuldigt.

Den einzigen gemeinsamen Beifall gab es, als dem SPD-Geburtstagskind Konrad Nabel gratuliert wurde. Dann war es wieder vorbei mit der Harmonie. Auf der verschlankten Regierungsbank musste man sich zunächst an eine neue Optik gewöhnen. Nach der Entlassung der SPD-Minister aus dem Kabinett am vergangenen Montag saßen alle verbliebenen CDU-Minister und der Regierungschef nebeneinander in der ersten Reihe. Carstensens bisherige Sitznachbarin war Ute Erdsiek-Rave in ihrer Funktion als stellvertretende Ministerpräsidentin, die ihm nun in der von der SPD besetzten gegenüberliegenden ersten Sitzreihe fast unmittelbar gegenübersaß. Nach ihrem Rauswurf als Bildungsministerin nahm nunmehr Umwelt- und Agrarminister Christian von Boetticher – für kurze Zeit auch für Soziales und Atomaufsicht verantwortlich – neben seinem Parteichef Carstensen Platz.

Der Regierungschef begründete seinen Antrag zur Vertrauensfrage unter anderem damit, dass er sich nicht mehr sicher sein könne, dass in den aktuellen schwierigen Zeiten des Landes gemeinsam gefasste Beschlüsse nicht von SPD- Chef Ralf Stegner hintertrieben würden. Die SPD ist nach dem Minister-Rausschmiss erstmals seit 21 Jahren in Kiel nicht mehr in Regierungsverantwortung. Daher darf sich ihr Fraktionschef nun auch Oppositionsführer nennen. In seinen Attacken gegen Carstensen und dessen CDU bemühte Stegner sogar Goethe, Max Frisch und Georg Kreisler, weshalb ihm CDU-Fraktionschef Johann Wadephul anschließend vorhielt, alles sei nur aus Kindlers Literaturlexikon herbeigeholt. Wadephul nahm sich in seiner Rede Stegner zur Brust, lobte aber die Arbeit der bisherigen SPD-Minister.

FDP-Spitzenmann Wolfgang Kubicki erklärte, die Liberalen würden es nach Neuwahlen ablehnen, Gespräche mit der SPD zu führen, solange Stegner der Partei vorstehe. Für die Grünen stellte Karl- Martin Hentschel fest, die Große Koalition sei eigentlich schon seit zwei Jahren gescheitert, habe nichts auf die Reihe bekommen und sei schließlich am Thema HSH Nordbank zerschellt. Er sprach in Richtung Carstensen von einer Manipulation des Wahltermins. Für den SSW ist Schleswig-Holstein dank des jüngsten Streits zwischen CDU und SPD wieder zum Synonym für politische Skandale geworden. Die jüngsten Geschehnisse in der Landespolitik seien ein Verfall der politischen Kultur.

Mit Spannung wurde die Regierungserklärung von Christian von Boetticher zum Kernkraftwerk Krümmel erwartet. Er bemängelte das Auftreten des Betreibers Vattenfall. Er versprach, dass er das noch von seiner Vorgängerin Gitta Trauernicht in Auftrag gegebene Gutachten zur Zuverlässigkeitsprüfung des Unternehmens zu seiner Entscheidungsgrundlage in dieser Frage machen werde. Am frühen Abend wollte Carstensen sein Kabinett um sich scharen. Dort sollten dann auch die vier SPD-Staatssekretäre in den vorzeitigen Ruhestand geschickt werden.

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