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Schleswig-Holstein: Carstensen verteidigt Minister-Rauswurf

Die Regierungskrise in Kiel geht in die nächste Runde. Nachdem CDU-Ministerpräsident Carstensen seine vier SPD-Minister vor die Tür gesetzt hat, werfen die ihm "eiskalte Machtpolitik" vor. Der Regierungschef hält seine Entscheidung hingegen für zwingend.

Die Krise in der schleswig-holsteinischen Landespolitik hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Nachdem Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) am Montag im Kieler Landtag den Antrag stellte, ihm in einer weiteren Sondersitzung am Donnerstag das Vertrauen auszusprechen, entließ er wenige Stunden später seine vier SPD-Minister. Die jeweiligen Staatssekretäre haben am Freitag ihren Posten zu räumen.

Zuvor waren Union, FDP, Bündnis 90/Grüne sowie der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) mit ihrem Antrag der vorzeitigen Auflösung des Parlamentes gescheitert, weil die SPD geschlossen dagegen stimmte und dadurch eine nötige Zweidrittel-Mehrheit verfehlt wurde.

Am Donnerstag wird nun über Carstensens Vertrauensfrage abgestimmt. Ziel des Ministerpräsidenten und seiner CDU ist es, die Abstimmung zu verlieren, um dann binnen zehn Tagen das Parlament aufzulösen. Dieses Vorhaben wird ihm wohl gelingen, da zu erwarten ist, dass Grüne, SSW, FDP sowie die SPD mit Nein votieren. Durch die Entlassungen von Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, Innenminister Lothar Hay, Sozialministerin Gitta Trauernicht und Justiz- und Arbeitsminister Uwe Döring eskaliert der Streit zwischen CDU und SPD. Beobachter sprechen gar von einer sich ausweitenden Schlammschlacht. „Das war keine normale Entlassung, dass war ein würdeloser, glatter Rausschmiss“, beschreibt ein Mitarbeiter eines der betroffenen Ministerien den Vorgang. So klingelte um 16 Uhr bei den SPD-Ministern das Telefon, um sie zur Abholung ihrer Entlassungsurkunde um 17 Uhr30 in die Staatskanzlei einzubestellen. Das Quartett ließ den Regierungschef allerdings vergeblich warten. „Ich bin tief enttäuscht über den Ablauf. Das ist ein Stil, als hätten wir silberne Löffel geklaut“, so Ute Erdsiek-Rave, die auch bislang stellvertretende Ministerpräsidentin war. „In der vergangenen Woche hat er mir und meinen Kollegen noch eine gute Arbeit bescheinigt und mir am vergangenen Donnerstag zugesichert, mich nicht entlassen zu wollen. Das empfinde ich nun auch als einen persönlichen Wortbruch des Ministerpräsidenten“, sagt Erdsiek-Rave dem Tagesspiegel, die den Akt der Entlassungen als „eiskalte Machtpolitik ohne Rücksicht auf persönliche Verluste“ bezeichnet. „Ich hätte gedacht, solch einen Rückfall in längst vergangene Zeiten hätten wir hier in Schleswig-Holstein überwunden“, betont Erdsiek-Rave.

Der Regierungschef räumt ein, dass es bei einer Parlamentsauflösung mit der erforderlichen SPD-Zustimmung keine Entlassungen gegeben hätte. „Ich wurde in die Vertrauensfrage gezwungen. So blieb mir nun keine andere Wahl.“ Alle Ressorts werden auf die bisherigen CDU-Minister im Kabinett aufgeteilt. Carstensen übernimmt die Justiz, der Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Jörn Biel bekommt die Bildung zugewiesen, Finanzminister Rainer Wiegard betreut ab sofort auch das Innenressort und Umwelt- wie Landwirtschaftsminister Christian von Bötticher ist fortan auch für Soziales sowie für die Atomaufsicht zuständig.

Carstensen hat veranlasst, dass die bisherigen Minister nur noch am Dienstag ihre Büros betreten dürfen, um diese so schnell wie möglich auszuräumen und eine Amtsübergabe zu regeln.

Die SPD weist derweil den Vorwurf einer „Verweigerer“-Rolle für die Parlamentsauflösung zurück. Man sei ebenfalls für Neuwahlen, habe dem Antrag der anderen Fraktionen wegen der „unehrenhaften Begründung“, die Koalition sei wegen der Unzuverlässigkeit der SPD gescheitert, aber so nicht zustimmen können, sagte Parteichef Ralf Stegner und wiederholte seine Forderung, Carstensen möge doch zurücktreten und auf diesem Weg zu Neuwahlen gelangen. Der Ministerpräsident habe gezeigt, dass er seinem Amt nicht gewachsen sei.

Dieter Hanisch[Kiel]

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