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Ein schnelles Ende. Jost de Jager führte die schleswig-holsteinische CDU nur eine kurze Zeit.

© dpa

Schleswig-Holstein: Der CDU-Chef sagt tschüss

Nach dem überraschenden Rücktritt Jost de Jagers nach nur 15 Monaten an der Spitze ist die Union in Schleswig-Holstein führungslos – und ein Nachfolger ist noch nicht in Sicht.

„Krise? Welche Krise?“ Ingbert Liebing, stellvertretender Vorsitzender der CDU in Schleswig-Holstein, wohnt auf der Insel Sylt und weiß, wie ein heftiges Unwetter aussieht. Er weiß aber auch, dass bei Gegenwind das Gleichgewicht gehalten werden muss. Den überraschenden Rücktritt des bisherigen Landesvorsitzenden Jost de Jager will der 49-jährige Bundestagsabgeordnete aber nicht in die Kategorie Krise einordnen, auch wenn der bisherige Chef der Nord-CDU mit seiner Begründung für den Rücktritt von der Spitze ein katastrophales Zeugnis ausgestellt hat, indem er ihr fehlenden Rückhalt attestierte.

Die Parteivorsitzende Angela Merkel wurde bereits am Montag von de Jager über seine Pläne unterrichtet, ebenfalls der Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag, Johannes Callsen, der sich geschockt zeigte. Was für die einen einem Scherbenhaufen gleichkommt, wird von Liebing schöngeredet. Für Altvordere wie den ehemaligen Landtagspräsidenten Martin Kayenburg ist der Rücktritt de Jagers eine Zäsur, die einen Neuanfang markiert. Gleichzeitig gibt er parteiinterne Versäumnisse zu, weil nicht für ausreichend personelle Alternativen gesorgt wurde.

De Jager verweist auf persönliche und politische Gründe, weshalb er zunächst einmal Abstand gewinnen möchte und daher auch konsequenterweise von seiner Bundestagswahlkandidatur im Wahlkreis Flensburg-Schleswig zurücktritt. Für die hatte er am 2. Oktober bei einer Kampfabstimmung noch Blut und Wasser geschwitzt, als er gerade einmal fünf Stimmen mehr erhielt als die vor Ort beliebte Kommunalvertreterin Sabine Sütterlin-Waack. Dabei hatte er noch mit dem Argument für sich geworben, dass es mit der Entscheidung auch um seine persönliche Zukunft und die der Landes-Union gehe.

Es folgte ein mit rund 80 Prozent eher bescheidenes Ergebnis bei seiner Wiederwahl als Landesvorsitzender Ende November. Das „Seuchenjahr“ des eloquenten Spitzenmannes aus Eckernförde fand damit sein Ende. Das hatte nicht nur den Regierungswechsel im schleswig-holsteinischen Landtag im Mai 2012 gebracht, de Jager verfehlte als Spitzenkandidat obendrein noch einen Landtagssitz, da er nicht als Direktkandidat angetreten war und die Landesliste nicht zum Zuge kam. Er hoffte darauf, dass einer der gewählten Abgeordneten für ihn Platz machen werde, schließlich müsse ein Landeschef auch im Parlament vertreten sein. Doch niemand war bereit, sich zu „opfern“.

Im vergangenen Sommer gab es erste Rücktrittsgerüchte um de Jager, als sich die Landesspitze der Partei noch einmal demonstrativ hinter ihn stellte. Der frühere Wirtschaftsminister hatte bis dahin eigentlich als Kämpfertyp gegolten, auch wenn er im vergangenen Landtagswahlkampf manch einem der 23 000 Parteimitglieder zu brav daherkam. Auch beim jüngsten Landesparteitag war es Torsten Geerdts, der – als ebenfalls ausgeschiedener Landtagsparlamentarier auf Listenplatz 2 hinter de Jager – die kämpferischere Rede gehalten hatte.

Sütterlin-Waack zeigte sich jedenfalls enttäuscht von de Jagers Rücktritt. Sie will sich jetzt im Wahlkreis I im zweiten Anlauf die Bundestagskandidatur sichern. Der Landesvorstand der Nord- CDU tritt nun Donnerstagabend außerplanmäßig zusammen, um die Lage zu erörtern. De Jager will dort ein letztes Mal die Sitzung leiten.

Das Krisenmanagement wurde unterdessen von Liebing vorgestellt. Bis zum 24. Januar sollen Nachfolgekandidaten den Hut in den Ring werfen, im Februar sollen diese sich der Basis vorstellen, ehe am 16. März auf einem Parteitag der „Neue“ – weibliche Kandidaturen sind vorerst nicht in Sicht – gekürt werden soll. Als Kandidaten werden neben Liebing und Geerdts auch die Bundestagsabgeordneten Ole Schröder (Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium) und Johann Wadephul gehandelt. Ebenso ist dem Vernehmen nach der Europaabgeordnete Reimer Böge eine Alternative, der als dienstältester Vizevorsitzender im Norden de Jager zunächst einmal kommissarisch beerben wird.

Die Partei steht damit zwei Jahre nach dem Rückzug des Spitzenkandidaten Christian von Boetticher, der über die Liebesbeziehung mit einer damals 16-Jährigen stolperte, neuerlich vor einer gewaltigen Herausforderung – und das vor den am 26. Mai anstehenden Kommunalwahlen und der Bundestagswahl im Herbst.

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