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Bedroht. Wolfgang Seibert, der Leiter der Jüdischen Gemeinde von Pinneberg.

© dapd

Schleswig-Holstein: Leiter der Jüdischen Gemeinde von Islamisten bedroht

In Pinneberg bei Hamburg werden radikale Islamisten zunehmend auffällig. Jetzt steht der Leiter der jüdischen Gemeinde unter Polizeischutz. Am Wochenende durchsuchten Beamte zwei Wohnungen in Neumünster.

Der Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein ist alarmiert: „Wir nehmen die Sache sehr ernst“, sagt dessen Leiter Horst Eger. Er meint jene radikalen Islamisten in Pinneberg bei Hamburg, die dort zunehmend auffällig werden. Ein Aktivist aus diesem Kreis hat den Leiter der dortigen Jüdischen Gemeinde, Wolfgang Seibert, im Internet bedroht. Seibert steht jetzt unter Polizeischutz; am Wochenende durchsuchte die Polizei zwei Wohnungen Verdächtiger in Neumünster.

Auch er selbst habe schon eine Drohung erhalten, sagte Eger dem Tagesspiegel. „Diese Form ist schon eine neue Qualität, wie wir sie hier seit dem Kofferbomber von Kiel 2006 nicht mehr hatten.“ Ohnehin stehen alle radikalislamistischen Aktivitäten in diesem Teil Norddeutschlands seit langem unter besonderer Beobachtung. Schließlich war es eine Hamburger Zelle radikalislamischer Muslime, die die Anschläge am 11. September 2001 geplant hatte.

Nach der von Hamburgs Innenbehörde verfügten Schließung der Taiba-Moschee und dem Verbot des Trägervereins am 9. August 2010 hatten die gewaltbereiten Islamisten für kurze Zeit keinen Treffpunkt. Inzwischen versammeln sie sich wohl überwiegend in Hamburg-Harburg in der Taqwa-Moschee und eben auch in Pinneberg. Die dortige Muslimische Vereinigung als Trägerverein distanziert sich von extremistischen Bestrebungen in ihren Räumlichkeiten auf einem Hinterhof.

„Wenn dort nur gebetet wird, hat niemand etwas dagegen“, sagt Eger. Doch offenbar hat ein bereits in der Hansestadt aufgefallener Sprachlehrer als einer der Wortführer der Extremisten sein Betätigungsfeld nun wenige Kilometer nördlich von Hamburg dorthin verlegt. Als vor wenigen Tagen auch noch der aus Berlin stammende Hass-Rapper Abu Malik alias „Deso-Dogg“ in der kleinen Al-Sunna-Moschee mitten in Pinneberg vorbeischaute, nahm auch der Staatsschutz das Objekt in der Fußgängerzone ins Visier.

Die Muslimische Vereinigung hat nach eigenen Angaben 40 Mitglieder. „Wir können nicht von jedem Besucher ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen“, heißt es von dort. Auch der Verfassungsschutz weiß, dass nicht alle von ihnen radikale Fundamentalisten sind. Doch dass Pinneberg Ausgangspunkt für Personen ist, die als Jünger des Dschihad auch bereit sind, zu Waffen zu greifen, zeigt das Beispiel des 27-jährigen Shahab Dashti. Dashti war bis vor zwei Jahren noch aktiv in der Oberliga-Basketballmannschaft des VfL Pinneberg. Er wurde bei einem US-Drohnenangriff auf ein Ausbildungscamp der Taliban in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion im vergangenen Oktober getötet.

Als Wolfgang Seibert, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, der aus den Vorjahren auch anonyme Drohungen aus der Neonaziszene bekam, in Fernsehkameras sagt, dass man bei der Al-Sunna-Moschee nicht länger wegschauen dürfe, wird er zur Zielscheibe eines jungen Mannes, der sich Isa Al Khattab nennt. Er besuchte in Pinneberg die Realschule und konvertierte vor etwa einem Jahr zum Islam. Auf einem Internetportal, dessen Domain inzwischen gesperrt wurde, bezeichnete er Seibert als „dreckigen Juden“ und drohte ihm: „Pass auf, dass Allah dich nicht schon im Diesseits straft mit dem Tod. Das ist keine Drohung von mir, sondern von Allah dem Allmächtigen.“

Pinnebergs Bürgermeisterin Kristin Alheit (SPD) will jetzt alle Glaubensgemeinschaften zu einem Gespräch an einen Tisch holen. Der Vermieter der Räumlichkeiten hat der Muslimischen Vereinigung zum 30. Juni gekündigt. Eger besorgt: „Die Eltern, aber auch die Imame erreichen die jungen Fanatiker nicht mehr. Unsere Beobachtung zeigt: Die Rekrutierung beginnt bereits immer früher, schon im Teenageralter.“

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