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Politik: Schnell wirkende Betäubung

Fentanyl und Halothan können zu Atemstillstand führen

Tagelang hat Moskau sich geweigert, das bei der Geiselbefreiung eingesetzte Gas zu benennen – bis Mittwoch. Wie der russische Gesundheitsminister Juri Schewtschenko nun bekannt gab, basierte die Substanz auf „Fentanyl“. Dieses ist ein Narkosemittel, das zur Gruppe der Opiate gehört. Die bekanntesten Opiate sind Morphium und Heroin. Fentanyl wirkt ähnlich wie Heroin und Morphium. Es ist schmerzstillend, hat aber auch eine einschläfernde Wirkung. „Der klinische Vorzug ist, dass es sehr schnell wirkt“, sagt Alan Zelicoff, ein US-Experte für biologische und chemische Waffen.

Wie alle Opiate hemmt auch Fentanyl das Atemzentrum im Hirn. Deshalb ist die Gefahr bei Überdosen der Atemstillstand. Fentanyl fällt nicht unter die Bestimmungen der internationalen Konvention über das Verbot von Chemiewaffen. Opiate kann man mit Gegenmitteln bekämpfen, etwa Naloxon. Das Gegenmittel lässt sich auch prophylaktisch einsetzen – vielleicht brauchten die Spezialkräfte des russischen Inlandsgeheimdienstes deshalb keine Schutzmasken.

Vermutlich war dem Fentanyl aber mindestens noch eine weitere Substanz beigemischt. So haben die Münchner Toxikologen, die die beiden deutschen Geiseln untersucht und behandelt haben, die Substanz „Halothan“ in deren Blut und Urin festgestellt. Auch Halothan ist ein Mittel, das zur Anästhesie eingesetzt wird, oft in Kombination mit anderen Stoffen, weil Halothan selbst nicht schmerzstillend wirkt und erhebliche Nebenwirkungen hat. Das süßlich riechende Mittel senkt den Blutdruck und verlangsamt die Atmung. Bei hoher Dosierung kann es Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand sowie Atemstillstand verursachen. Halothan wirkt nach wenigen Minuten. Es verursacht Leberschäden.

Fentanyl und Halothan werden bei der Anästhesie oft in Kombination benutzt – und zwar in Form eines Aerosols, also eines Nebels, bestehend aus feinsten Partikeln. Wenn es aber eine übliche Narkosemischung war, die das Spezialkommando einsetzte, warum gab es dann so viele Tote unter den Geiseln? 115 der 117 Geiseln starben nach den bisherigen Angaben an dem Gas.

Der Grund ist wahrscheinlich der fatale Nebeneffekt der Narkosemittel: die Tatsache nämlich, dass sie auch zu Atemstillstand führen können. Was man aber in einem Krankenhaus noch einigermaßen kontrollieren kann – das war im Moskauer Musical-Theater unkontrollierbar geworden.

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