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Schockbilder sollen die Lust am Rauchen nehmen.

© dpa/Jonas Güttler

Schockbilder auf Zigarettenschachteln: Dampf ist nicht Rauch

Ab heute gilt in der EU die neue Tabakrichtlinie mit abschreckenden Fotos und Warnhinweisen für Raucher. In einem Punkt schießt sie über das Ziel hinaus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Markus Grabitz

In der Europäischen Union wird an diesem Freitag ein neues Kapitel aufgeschlagen, um die Menschen vor den Gefahren des Rauchens zu warnen: Die augenfälligste Veränderung, die die Tabakregulierung dann Rauchern und Nichtrauchern bringt, sind drastische Bilder und größere Warnhinweise auf Zigarettenschachteln

42 Bilder stehen zur Auswahl. Ein offener Kehlkopf in Nahaufnahme warnt vor dem Risiko, Krebs im Mund- und Rachenbereich zu erwerben. Eine krankhaft veränderte überdimensionale Pupille weist auf die Gefahr des Erblindens hin. Eine Frau um die 40 in einem Klinikbett informiert darüber, dass in neun von zehn Lungenkrebs-Fällen Tabak im Spiel ist. Ein Neugeborenes mit Schläuchen und Kanülen der Intensivmedizin soll die Botschaft senden, dass Kinder von Rauchern häufiger schwer geschädigt oder tot zur Welt kommen.

In Europa ist die Tabakindustrie auf dem absteigenden Ast

Die Drogenbeauftragte schätzt, dass allein in Deutschland jedes Jahr 110 000 Menschen an den Folgen von Nikotin sterben. Bei diesem Elend, das das Rauchen über den Betroffenen und seine Familie bringt, aber auch über die ganze Gesellschaft, ist es legitim, wenn die EU die Schraube weiter andreht und das Produkt, das massenhaft den schleichenden Tod bringt, strenger reguliert. Je mehr die Zigarette in der Schmuddelecke ist, desto weniger attraktiv möge das Rauchen für Kinder und Jugendliche sein.

Längst ist die Tabakindustrie in Europa wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast. Die Absatzzahlen haben sich binnen eines Jahrzehntes allein in Deutschland halbiert. Dennoch ist es den großen Zigarettenherstellern  in einer beispiellosen Lobbyschlacht in Brüssel gelungen, die – aus ihrer Sicht – zwei schlimmsten Folterinstrumente noch einmal abzuwenden. Sie weiß: Richtig ausreguliert ist das Produkt Zigarette erst, wenn die EU zum einen die Einheitspackung durchsetzt. Eine Markenzigarette würde sich dann durch nichts mehr von der Billigzigarette aus dem Discounter unterschieden. Zumindest äußerlich. Und zweitens, wenn das Verbot eines Tages käme, Tabakprodukte auch nur im Laden auszustellen. Dann wäre der Bann, der auf der Zigarette lastet, perfekt. Sie wäre im Kiosk nur noch Bückware.

Die E-Zigarette ist so etwas wie das Methadon der Nikotin-Süchtigen

In einem Punkt  ist die Regulierung aber vermutlich über das Ziel hinaus geschossen. Sie stellt nämlich klassische Tabakprodukte gleich mit neuen Formen des Nikotin-Gebrauchs. Zigarette, Zigarre und Pfeife, bei denen Tabak verbrannt wird, werden künftig genauso behandelt wie die so genannte E-Zigarette, die ohne den eigentlichen Verbrennungsprozess auskommt. Ihr Konsument inhaliert lediglich erhitzten, teils nikotinhaltigen Dampf.

Bei aller gebotenen Vorsicht: So ziemlich alle Experten sind sich einig, dass die gesundheitlichen Gefahren beim klassischen Rauchen wesentlich höher sind. Man kann es auf die Formel bringen: Sorgen macht den Medizinern nicht so sehr das Nikotin als vielmehr das Verbrennen des Tabaks. Dabei werden die meisten Schadstoffe ausgestoßen, die Krebs auslösen. Niemand behauptet, das Dampfen sei unschädlich. Es gibt aber immer mehr Mediziner, die in der E-Zigarette so etwas wie das Methadon der Nikotin-Süchtigen sehen. Sie hilft vielfach chronisch abhängigen Rauchern, von der Zigarette weg zu kommen. Die ersten Studien, die diesen Zusammenhang nahe legen, sind veröffentlicht. Es bedarf sicher noch weiterer Forschungen, bis die Ergebnisse belastbar sind.

Es stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber mit genau so harten Bandagen gegen die E- wie gegen die klassische Zigarette vorgeht. Klar ist, dass die Tabakkonzerne, die seit Jahrzehnten über gute Drähte zur Politik verfügen, ein wirtschaftliches Interesse daran haben. Die gute alte Filterzigarette wirft trotz allem noch gute Renditen ab. Dieses Geschäft will man sich nicht kaputt machen lassen von der E-Zigarette, die in China erfunden wurde und in deren Markt sich die Tabakmultis gerade erst teuer einkaufen.

Auch die Pharmalobby - auch sie verfügt seit Jahrzehnten über beste Kontakte in die Politik - hat wenig Interesse an einem florierenden Markt für E-Zigaretten. Womöglich spricht sich ja herum, dass die E-Zigarette vielen notorischen Rauchern hilft, ihr Laster sein zu lassen. Wer kauft dann noch die Nikotinpflaster und Pillen, die die Pharmabranche zur Entwöhnung im Angebot hat?

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