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Politik: Schonvorschrift für Anwälte sind verfassungswidrig, urteilt das Bundesverfassungsgericht

Berufsverbände dürfen mit ihren Satzungen nicht ohne gesetzliche Grundlage in die Rechte anderer Bürger eingreifen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag verkündeten Urteil entschieden.

Berufsverbände dürfen mit ihren Satzungen nicht ohne gesetzliche Grundlage in die Rechte anderer Bürger eingreifen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag verkündeten Urteil entschieden.

Das Gericht erklärte eine berufsrechtliche Vorschrift der Bundesrechtsanwaltskammer zum so genannten Versäumnisurteil für nichtig. Danach verzichtet ein Anwalt aus kollegialer Rücksichtnahme auf die - nach der Prozessordnung zulässige - Beantragung eines Versäumnisurteils, wenn der gegnerische Anwalt nicht zum Termin erschienen ist.

Mit einem solchen Verzicht unterlasse es der Anwalt, einen vollstreckbaren Titel für seinen Mandanten zu erstreiten, argumentierten die Richter. Dadurch sei dessen Vermögen gefährdet, weil der Prozessgegner bis zum Abschluss des Verfahrens zahlungsunfähig werden könne. Die Vorschrift nütze daher nur der Anwaltschaft, nicht aber dem Recht suchenden Bürger.

Da eine klare Gesetzesgrundlage für die Regelung fehle, verstoße sie gegen das Grundgesetz. Gegen die Vorschrift hatte ein Anwalt aus Andernach in Rheinland-Pfalz wegen Verletzung seiner Berufsfreiheit geklagt. Er war von der Anwaltskammer Koblenz wegen eines Versäumnisurteil-Antrags gegen einen abwesenden Kollegen gerügt worden.

Kläger oder Beklagter im Zivilprozess können grundsätzlich ein Versäumnisurteil beantragen, wenn der Gegner nicht zur Verhandlung erscheint. Nach der nun gestrichenen Vorschrift durfte ein Anwalt jedoch ohne vorherige Ankündigung kein Versäumnisurteil beantragen, wenn nicht die gegnerische Partei selbst, sondern deren Anwalt den Termin versäumt hat. Gegen ein Versäumnisurteil ist zwar ein Einspruch möglich, bis dahin jedoch wirkt es wie ein normales Urteil.

Nach den Worten des Ersten Senats bleibt es den öffentlich-rechtlichen Berufsverbänden zwar unbenommen, die Tätigkeit ihrer Mitglieder in eigener Regie zu regeln. Je stärker allerdings die Interessen der Allgemeinheit berührt würden, desto weniger dürfe sich der Gesetzgeber seiner Verantwortung entziehen, selbst eine Regelung zu treffen. Denn bei der Schaffung von Satzungsrecht bestehe die Gefahr, dass sich die Verbände von eigenen Interessen leiten ließen. (Aktenzeichen: 1 BvR 1327/98 vom 14. Dezember 1999)

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