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Schreiber

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Schreiber-Prozess: "Ich habe nie im Alleingang agiert"

"Die Millionen waren nicht für mich, sondern für Politiker und Beamte." Der Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber hat zum Auftakt seines Prozesses in Augsburg Enthüllungen "hochrangiger" Verbündeter angekündigt. Details blieb er aber erneut schuldig.

Der wegen Steuerhinterziehung angeklagte Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber hat angekündigt, "hochrangige" politische Weggefährten und Geschäftspartner zu benennen, die ihm in den 80er und 90er Jahren dabei halfen, millionenschwere Flugzeug- und Panzergeschäfte einzufädeln. Damit will er beweisen, dass die Millionenprovisionen, die er an der deutschen Steuer vorbei auf ausländischen Geheimkonten geparkt haben soll, nicht für ihn selbst bestimmt waren, sondern für Politiker und Verwaltungsmitarbeiter, die am Zustandekommen der Geschäfte mit teilweise staatlichen Kunden in Kanada, Thailand und Saudi-Arabien beteiligt waren. Das sagte der 75-Jährige am Montagmorgen zum Auftakt des mit Spannung erwarteten Prozesses gegen ihn vor dem Landgericht Augsburg. Schreiber hatte mit nicht ordnungsgemäß verbuchten Barzahlungen an namhafte Politiker wie Wolfgang Schäuble und Walter Leisler Kiep, die durch die Arbeit der bayerischen Steuerfahndung vor gut zehn Jahren bekannt wurden, die CDU-Spendenaffäre ausgelöst.

"In jedem der Geschäfte wurden die Weichenstellungen von Politikern und höchsten politischen Würdenträgern getroffen", erklärte Schreiber in einer Stellungnahme, die sein Anwalt für ihn verlas. So sei der umstrittene und mit Millionenprovisionen geschmierte Verkauf von Thyssen-Spürpanzern an Saudi-Arabien nicht primär durch seine, Schreibers Vermittlung zustande gekommen, sondern vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem damaligen US-Außenminister James Baker entschieden worden. "Ich habe nie im Alleingang agiert", ließ Schreiber seinen Anwalt vorlesen. Bei den mit ebenfalls siebenstelligen Provisionen verbundenen Verkäufen von MBB-Hubschraubern an die kanadische Küstenwache und Airbus-Flugzeugen nach Kanada und Thailand habe vor allem ein Politiker die Weichen gestellt, dem Schreiber wirtschaftlich und freundschaftlich verbunden war: Franz Josef Strauß. Der habe zwar durch seinen Tod 1988 den erfolgreichen Abschluss vieler Geschäfte nicht mehr miterlebt. Aber er sei in der mehrjährigen Vorbereitungsphase an den meisten Schreiber-Geschäften "maßgeblich beteiligt" gewesen. Auch der 2005 gestorbene kanadische Politiker Frank D. Moores habe zum Gelingen von Schreibers Geschäften beigetragen. "Es gab keinen Auftrag ohne Gegenleistung, kein Geschäft ohne Beteiligung von hochrangigen Politikern."

Allerdings machte Schreiber deutlich, dass es ihm schwer fallen dürfte, die Beteiligung Dritter an den Geschäften gerichtsfest nachzuweisen, wie er am Beispiel des früheren konservativen kanadischen Premierministers Brian Mulroney deutlich machte: "Erwartet denn jemand, dass Mulroney Quittungen für die Beteiligung am Zustandekommen eines Auftrags ausstellt?" Diese Aussage dürfte in Kanada politische Wellen schlagen: Bislang hat Mulroney stets bestritten, für von Schreiber eingefädelte Geschäfte Provisionen erhalten zu haben. Er hat lediglich nachträglich eingeräumt, für Schreiber nach dem Ende seiner Amtszeit als Premierminister als Lobbyist für den weltweiten Verkauf von Thyssen-Panzern Bargeld in sechsstelliger Höhe erhalten zu haben. Neben den Zahlungen an Mulroney werde er auch nicht in der Lage sein, für Gelder Belege zu präsentieren, die deutsche Politiker von ihm erhielten, sagte Schreiber: Bargeldempfänger wie Wolfgang Schäuble, Walter Leisler Kiep oder Holger Pfahls hätten ebenfalls "keine Quittungen unterschrieben".

Ob und wie Schreiber im Laufe der bevorstehenden 26 Verhandlungstage seine vom Richter in einer ersten Einschätzung als noch "recht allgemein" bezeichneten Behauptungen belegen will, ließ er am Montag noch nicht durchblicken. Er war in der Vergangenheit immer wieder mit Ankündigungen aufgefallen, die er aus dem kanadischen Exil gemacht hatte. Von dort war er im vergangenen August nach einem zehnjährigen Rechtsstreit nach Deutschland ausgeliefert worden. Am Montag wirkte der Lobbyist trotz der mehr als fünfmonatigen Untersuchungshaft fidel und entspannt. Er lächelte von der Angeklagtenbank ihm bekannten Journalisten zu, die er im Heer der rund 100 sich im Pressebereich drängenden Berichterstatter entdeckte. Von einigen Reportern gefragt, ob er vor Prozessbeginn der Öffentlichkeit etwas sagen wollte, schüttelte er nur lächelnd den Kopf und machte eine Geste mit der Hand zum Mund, die besagte: Heute wird er schweigen. Seine Anwälte dürften den sonst so redseligen Rentner überzeugt haben, dass das für ihn vorteilhaft sein könnte.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Multimillionär vor, zwischen 1987 und 1995 über Tarnfirmen in Liechtenstein und Schweizer Bankkonten rund 32 Millionen Euro an Provisionen an der Steuer vorbei aus Deutschland ausgeführt zu haben. Er habe ein "für das Finanzamt undurchschaubares Lügengebäude" konstruiert, heißt es in der Anklageschrift, deren wichtigste 27 Seiten mit etlichen detaillierten Kontobewegungen der Staatsanwalt am Montag eine Stunde lang verlas. Außerdem wird Schreiber vorgeworfen, den früheren Staatssekretär Holger Pfahls bestochen zu haben, um einen umstrittenen und von der Bundeswehr abgelehnten Panzerverkauf nach Saudi-Arabien zu ermöglichen sowie zusammen mit zwei Thyssen-Managern im Rahmen dieses Geschäfts gemeinschaftlichen Betrug begangen zu haben.

In einer ersten von zwei Erklärungen an diesem Tag ließ Schreiber seinen Anwalt die Vorwürfe pauschal zurückweisen. Die Anklage sei schon deswegen nicht belastbar, weil manche der Vorwürfe verjährt seien. Außerdem habe es damals, vor teilweise über 20 Jahren, zu den gerade in Bayern unter Franz Josef Strauß üblichen "Gepflogenheiten" gehört, wichtige Geschäfte mit Hilfe der Politik und mit entsprechenden zusätzlichen Aufwendungen in die Wege zu leiten. Die direkt für ihn, Schreiber, vorgesehenen Provisionen habe er ordnungsgemäß versteuert, erklärte der Angeklagte. Die Millionenzahlungen, welche ihm die Staatsanwaltschaft als eigene Provisionen unterstellt, seien durchweg für Dritte bestimmt gewesen, in deren Namen er agiert habe. Dabei habe neben der Schaffung von Arbeitsplätzen und internationalen politischen Interessen auch die Finanzierung politischer Parteien "eine Rolle gespielt". Welche? Das dürfte neben der Frage nach Schreibers bislang offenbar nur teilweise bekannten Helfern in Politik und Verwaltung eines der spannendsten Themen des Prozesses werden, der nach jetziger Planung mindestens noch bis Mai dauert.

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