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Politik: Schröder in Sankt Petersburg: Im Dialog - für die Pressefreiheit

Geplant war ein Gipfel, der die wachsenden Gemeinsamkeiten demonstriert. Aber nun wird der Konflikt um die Medienfreiheit in Russland die deutsch-russischen Regierungskonsultationen an diesem Montag und Dienstag in St.

Geplant war ein Gipfel, der die wachsenden Gemeinsamkeiten demonstriert. Aber nun wird der Konflikt um die Medienfreiheit in Russland die deutsch-russischen Regierungskonsultationen an diesem Montag und Dienstag in St. Petersburg beherrschen. Tausende haben am Wochenende in Moskau gegen die Übernahme des einzigen unabhängigen und landesweit empfangbaren Fersehsender NTW durch den staatlichen Energiekonzern Gazprom protestiert. Das verdrängt die Themen Handel, Schuldentilgung, Raketenabwehr, Beutekunst. Die deutschen Ausfuhren sind 2000 auf 13 Milliarden Mark gesunken (1998: 14,5 Milliarden Mark), die russischen Exporte, vor allem Öl und Gas, haben sich auf 28,5 Milliarden Mark verdoppelt (14,7 Milliarden Mark).

Ungeplant zieht so ein Novum Aufmerksamkeit auf sich: Erstmals wird der Gipfel von einem "Dialog der Zivilgesellschaften" begleitet - dem Gespräch regierungsunabhängiger Repräsentanten der Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft nach Vorbild der deutsch-britischen Königswinter-Konferenzen. Dieser "Petersburger Dialog" war im Juni 2000 in Deutschland vereinbart worden: als "zweite Säule der strategischen Partnerschaft", heißt es im Kanzleramt.

Kanzler Schröder misst dem Konflikt um NTW offenbar große Bedeutung bei. Demonstrativ wird er dem Radiosender "Echo Moskwy", der zum gleichen Medienkonzern (Media-Most) gehört, ein Interview geben - als "Signal für die Unterstützung der Medienfreiheit", wie ein Kanzler-Vertrauter betont. "Wir sehen die Entwicklung mit Besorgnis", sagt er und zitiert Michail Gorbatschows Stellungnahme: "Die Art der Behandlung der NTW-Journalisten ist eine Demütigung aller russischen Bürger."

Der Konflikt um NTW ist Teil der über ein Jahr andauernden Auseinandersetzung des Kremls mit dem Unternehmer Wladimir Gussinskij, Gründer des Medienkonzerns Media-Most. Der Staat verfolgt ihn wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung. Gussinskij hat sich nach Spanien geflüchtet und wirft Präsident Putin vor, in Wahrheit gehe es darum, den einzigen kritischen TV-Sender mundtot zu machen. Gussinskij möchte ein größeres Paket seines 49-Prozent-Anteils an Media-Most an Ted Turner verkaufen, den Gründer des US-Nachrichtensender CNN. Man sei fast handelseinig.

Zweiter Hauptaktionär von Media-Most mit 46 Prozent ist der staatliche Energiekonzern Gazprom. Nach dessen Darstellung hat der hochverschuldete Gussinskij bereits zwei Fünftel seines Anteils an Gazprom verpfändet. Gazprom habe also eine de-facto-Mehrheit an Media-Most und sei berechtigt, bei NTW eine neue Führung einzusetzen.

Den Kanzler begleiten Außenminister Fischer, Finanzminister Eichel, Verteidigungsminister Scharping, Innenminister Schily und Kultur-Staatsminister Nida-Rümelin. Schröder und Putin werden nach einem Gedenken an die deutsche Belagerung von Leningrad, wie Petersburg zu Sowjetzeiten hieß, auf dem Piskarjowskoje-Friedhof am Nachmittag in der Petersburger Universität reden. Am Dienstag stehen neben den Konsultationen der Minister Besuche der Gemäldesammlung Eremitage und des Zarenschlosses Zarskoje Selo samt dem Bernsteinzimmer auf dem Programm, das mit deutscher Unterstützung wieder hergestellt wird. Das Original ist im Krieg verschollen.

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