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Politik: Schröder passt die Kräfteverhältnisse in Regierung und Partei seinen Machterfordernissen an

Er sagt es nicht nur so - er ist so. Er ist einer, der die Macht will, dafür an Gitterstäben rüttelt, ruft: "Ich will da rein" und dann, wenn er im Zentrum der Macht ist, auch da bleiben will.

Er sagt es nicht nur so - er ist so. Er ist einer, der die Macht will, dafür an Gitterstäben rüttelt, ruft: "Ich will da rein" und dann, wenn er im Zentrum der Macht ist, auch da bleiben will. Sein Wille, ganz einfach. Hier ähnelt Gerhard Schröder Helmut Kohl. Aber Schröder ist in der Art des Umgangs, in der Härte schon weiter, als Kohl nach einer vergleichbaren Zeit im Amt war. Wie lange der Altkanzler vor Jahren brauchte, sich von seinem ersten Kanzleramtschef, seinem Freund Waldemar Schreckenberger, dem guten Mann, zu trennen - und wie kurz der Prozess war, den der jetzige Amtsinhaber mit seinem Kanzleramtschef, seinem Freund und "besten Mann" Bodo Hombach, machte.

Jetzt ist wieder vom "System Schröder" die Rede. Hat er denn ein System? Ihm zu unterstellen, er hätte keines, hieße, ihn zu unterschätzen. Schröder pflegt das System der Gegengewichte. Nehmen wir als erstes Beispiel seine Regierungszentrale: Der umtriebige Bodo Hombach war da - und dazu kam der nüchterne, fleißige, ruhige Frank-Walter Steinmeier als Staatssekretär. Das waren Kräfte, die einander austarieren sollten. Nun ist Hombach weg, aber wichtiger war sowieso, Schröders Schwächen auszugleichen.

Oder schauen wir, als zweites Beispiel, auf seine Partei: Rudolf Scharping ist da - und dazu kommt der harte, verlässliche, sehr selbstbewusste Franz Müntefering. Auch diese beiden Kräfte sollen einander austarieren. Natürlich zum Wohle des Kanzlers: Scharping im Amt des Stellvertreters in der SPD soll, als ausgewiesener Gremienpolitiker, die Programmarbeit leisten, die Schröder nicht so sehr interessiert. Müntefering ist berufen, zu organisieren und die Partei zu disziplinieren. Beide, gestärkt in ihren Stärken, sollen und werden fein aufeinander Acht geben, auf dass der eine nicht stärker werde als der andere. Und über ihnen thront Schröder. Und lächelt.

Ein Lächeln, das nicht immer wirklich eines ist, wie man inzwischen weiß. Früher sagte man, jemand sei kaltschnäuzig; ein passender Ausdruck, denn unser Jemand kann es sein. Erinnert sich noch irgendjemand an Jost Stollmann? Die Frage ist immer, wie wichtig Schröder ein Anderer ist. Er hat Sigrid Krampitz, seine Büroleiterin, vor ein paar Monaten mit großem Einsatz davon abgehalten, die Regierungszentrale zu verlassen. An Siegmar Mosdorf, dem parlamentarischen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, als seinem erklärten Kandidaten für den Verkehrsministerposten hat er nicht festgehalten.

Man könnte auch sagen, Schröder habe ihn wegen eines Machtkalküls fallen gelassen. Jedenfalls wird Mosdorf das so sehen, trotz seines bemühten Lächelns. Denn der Kanzler hatte ihm am Sonntag noch übermittelt, dass er Verkehrsminister werde. Mosdorf wird es nun nicht, weil man mit ihm keine andere Kraft ausgleichen kann. Auch muss man ihn als Gegenkraft nicht austarieren: Mosdorf steht hinter Schröder, aber Herta Däubler-Gmelin, die auch aus Baden-Württemberg kommt, nicht minder. Und dass vielleicht umgekehrt Kräfte gesammelt werden, weil die SPD im wirtschaftsstarken "Ländle" wieder an die Macht will? Dort wird erst im Frühjahr 2001 gewählt. Schröder kalkuliert so, er ist inzwischen ja auch Parteichef. Wie weiland Kanzler Kohl.

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