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Politik: Schröders Aschenbrödel

Rot-Grün macht jetzt in Innovation bei Bildung und Forschung – die zuständige Ministerin Bulmahn ist außen vor

Von Hans Monath

Von Markus Feldenkirchen

und Hans Monath

Innovation ist eine feine Sache – wenn man selbst mitmachen darf. Eigentlich müsste dies die große Stunde der Edelgard Bulmahn sein. Seit zehn Tagen bläst die Regierung zur Bildungs- und Forschungsoffensive, SPD und Grüne hat die Innovationseuphorie erfasst. Der einstige Traditionssozi Franz Müntefering avanciert zum König der Nanotechnologie, und der Kanzler hat wieder eine Chefsache gefunden. Nur eine einzelne Dame mischt kaum mit – die zuständige Ministerin für Bildung und Forschung.

Kopfschüttelnd verfolgen Parteifreunde und der Koalitionspartner die Bulmahn’sche Passivität. „Sie schaut nur zu“, klagt ein SPD-Abgeordneter. An der neuen Schwerpunktsetzung der Regierung sei sie „gänzlich unbeteiligt“. Das aktuelle Innovationspapier der SPD wurde von Bundesgeschäftsführer Franz-Josef Lersch-Mense und Generalsekretär Olaf Scholz verfasst, ohne Abstimmung mit Bulmahn. Dass die Aufwendungen des Bundes für Forschung und Entwicklung bis 2010 kräftig aufgestockt werden sollen, habe Bulmahn gar nicht gewusst, sagt der Parlamentarier. „Das ist schon bitter.“ Solche Einschätzungen sind freilich noch zurückhaltend. „Die Frau ist ein Totalausfall“, wettert ein Grünen-Abgeordneter. Und ein führendes SPD-Fraktionsmitglied bilanziert: „Sie war nie ein Leistungsträger dieser Regierung und sie wird es auch nicht mehr werden.“

In der Tat wird die große Innovationsoffensive weitgehend an Bulmahn und ihrem Ministerium vorbei geplant. Anders als bei vielen anderen Reformprojekten liegt die Federführung diesmal in anderen Händen. Fraktionschef Müntefering hat gleich zwei Arbeitsgruppen eingesetzt, um binnen Monaten konkrete Gesetze auszuarbeiten. Derweil predigt der sonst so trockene Sauerländer voller Innovationslust in Talkshows, dass es jetzt ultimativ um die Zukunft gehe.

Auch im Kanzleramt zieht man nach fünf Jahren die Konsequenz aus der Einsicht, dass Bulmahn keine Idealbesetzung für das neue Megathema ist. Amtschef Frank-Walter Steinmeier zieht das Thema an sich. Am heutigen Donnerstag startet eine Reihe von „Innovationsgesprächen“ mit dem Kanzler. Zwar wird auch Bulmahn der Runde aus Forschungsfunktionären und Unternehmern beisitzen. Doch nur als Gast. Daneben organisiert Steinmeier auch interne Innovationszirkel, ein Brainstorming mit dem Titel: „Wie wird Zukunft gemacht?“ Ohne Bulmahn.

Es ist schon schwer, dieser Tage ein positives Urteil über die Ministerin einzuholen. Zwar wird sie von Wissenschaftsfunktionären stets gelobt, und SPD-Kollegen gestehen ihr immerhin „fachliche Kompetenz“ zu. Doch „verkaufen“ könne sie ihre Themen eben nicht. Fast wehmütig erinnern sich einige an Bulmahns Amtsvorgänger von der CDU. „Jürgen Rüttgers hat mit wenig Geld viel öffentliche Aufmerksamkeit erreicht. Bei Bulmahn ist es umgekehrt“, lästert ein Koalitionär. Auch heißt es, Bulmahn fehle jede Autorität gegenüber den Länderministern, selbst gegenüber SPD-Kollegen.

Kein Wunder, dass Abgeordnete die Entmündigung der Ministerin gutheißen. „Ich begrüße, dass das Kanzleramt die Innovationsoffensive zur Chefsache erklärt hat und maßgeblich vorbereitet“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin. Und Carsten Schneider (SPD) freut sich, dass „wir als Fraktion die Geschichte weitgehend selbst gestalten können“.

Dennoch glaubt kein Sozialdemokrat, dass Bulmahn ihren Posten verliert. Schröder werde nicht von ihr abrücken, sagt ein Genosse. „Sie ist loyal, eine Linke und eine Frau.“ Andere Kritiker begründen Bulmahns Verbleib im Amt mit einem resignierten „Sie stört auch nicht“. Aus dem Kabinett wird derweil kolportiert, dass Schröder immer genervter auf Bulmahns meist ellenlange Vorträge reagiert und seine Ministerin immer häufiger unterbricht: „Sag mal, geht das nicht kürzer?“ Als Kabinettsmitglieder kürzlich die aktuelle Innovationsoffensive besprachen, meldete Bulmahn sich wieder zu Wort. Vieles von dem habe sie in den vergangenen Jahren doch schon umgesetzt, sagte sie trotzig. Kanzler und Kollegen wollten darauf nur noch eines wissen: „Und warum haben wir davon nichts mitbekommen?“

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