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Politik: Schröders Firma geht in ein Steuerparadies

Betreiber der Ostsee-Pipeline residiert in der Schweiz / Ex-Kanzler verteidigt sein Engagement gegen Kritik

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wird als Aufsichtsratschef der Betreibergesellschaft für die Ostsee-Pipeline (NEGPC) ein Unternehmen repräsentieren, das seinen Sitz im Schweizer Kanton Zug nehmen wird, einem so genannten Steuerparadies. Ein Sprecher des Mitgesellschafters BASF sagte am Montag dem Tagesspiegel, „für den Unternehmenssitz haben steuerliche Gründe eine Rolle gespielt“. Führende SPD-Politiker haben immer wieder einen ruinösen Steuersenkungswettbewerb in Europa kritisiert und an Unternehmen appelliert, ihre Steuern in Deutschland zu entrichten.

Schröder verteidigte sein Engagement. Bislang sei weder die Zusammensetzung des Aufsichtsrates klar, noch sei „jemals über Geld gesprochen“ worden, sagte der Altkanzler der „Süddeutschen Zeitung“ . Er rechne damit, dass die „für solche Aufgaben übliche Aufwandsentschädigung“ gezahlt werde. Die in einigen Medien verbreiteten Summen bis zu einer Million Euro seien „völlig aus der Luft gegriffen“. Sein Anwalt Michael Nesselhauff werde Unterlassungserklärungen und Richtigstellungen bei Gericht beantragen. „Für mich ist es eine Ehrensache, bei dem Pipeline-Projekt mitzumachen“, sagte Schröder. Außerdem wolle er seiner Frau „nicht daheim auf den Wecker fallen“.

SPD-Chef Matthias Platzeck erklärte nach einem Telefonat mit Schröder, die Anfrage von Seiten der NEGPC-Eigner sei erst vorige Woche erfolgt. Platzeck trat damit Spekulationen entgegen, wonach Schröder sich den Posten in Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin noch vor seiner Neuwahl-Entscheidung gesichert habe. Eigner der NEGPC sind die deutschen Konzerne BASF und Eon mit je 24,5 Prozent sowie der halbstaatliche russische Gaskonzern Gasprom mit 51 Prozent. Die Nominierung Schröders geht offenbar auf die russische Seite zurück. „Die Entscheidung ist von Gasprom getroffen worden“, sagte der BASF-Sprecher. Sie werde aber von den deutschen Anteilseignern „gestützt“.

Auch am Montag riss die Kritik an Schröders Schritt nicht ab. Außergewöhnlich scharf urteilte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU): „Ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, dass ein deutscher Regierungschef so schnell und so instinktlos mit einem nahe liegenden Anschein umgeht, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen politischem Engagement und eigenen wirtschaftlichen Interessen.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte „ein gewisses Verständnis für die aufgeworfenen Fragen“ an Schröder. Dies sei aber nicht als Missbilligung zu verstehen, sagte ein Regierungssprecher.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) rief den Altkanzler dazu auf, den Aufsichtsratsposten nicht anzunehmen. Sonst entstehe der Eindruck, es handele sich um eine Belohnung für seinen Einsatz für die Erdgasleitung. Der CSU-Europapolitiker Bernd Posselt nannte den Aufsichtsratsposten gar ein „Schweigegeld für Völkermord in Tschetschenien und die schrittweise Strangulierung von Freiheitsrechten in Russland“. Auch in der SPD wurde erneut Unmut laut. SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer nannte die Gaswirtschaft ein „schmutziges Geschäft“. Schröder habe offensichtlich „der politische Instinkt verlassen“, sagte Scheer dem Tagesspiegel.

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