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Politik: Schüler-Protest und „Republik Freies Wendland“

Die jährlichen Demonstrationen gegen Castor-Transporte beginnen friedlich

Vom Mobilen Musik-Kampf-Wagen, einer zur fahrbaren Bühne umfunktionierenden Lkw-Ladefläche, dröhnt Ska- und Rockmusik. Auch alte Protest-Songs von „Ton, Steine, Scherben“ und die Ballade vom Commandante Che Guevara sind zu hören. Sprechchöre gegen Atomkraft skandierend, ziehen rund 500 Schüler durch Lüchow. Hinter dem Protestzug rollt ein Dutzend mit Fahnen und Transparenten geschmückter Traktoren. Der Verkehr in der kleinen Stadt bricht zusammen. Die Schülerdemonstrationen sind im Wendland seit Jahren der Auftakt zu den Protesten gegen Castortransporte. An diesem Wochenende soll es wieder so weit sein. Die Zug mit elf Atommüllbehältern fuhr am Freitagabend in Frankreich los. Am Sonntag soll er im Kreis Lüchow-Dannenberg eintreffen. Mit Lastwagen werden die tonnenschweren Behälter die letzten 20 Kilometer ins Zwischenlager Gorleben gebracht.

In der Betonhalle stehen bereits 80 Castoren. Jeder weitere Transport, befürchten die Atomkraftgegner, könnte Gorleben auch als Endlagerstandort festschreiben. Dabei ist unter Fachleuten umstritten, ob der Salzstock wirklich zur Aufnahme des hochradioaktiven Mülls taugt. Seit dem Jahr 2000 ist die Untersuchung gestoppt. Während die Union auf ein Ende des Moratoriums dringt, will Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) außer Gorleben noch weitere Standorte untersuchen lassen.

Die Atomgegner in der Region wollen sich erst dann an einer Diskussion über Endlager-Standorte beteiligen, wenn die Atomkraftwerke stillgelegt sind. Seit den Pannen und Schlampereien im Atommülllager Asse wähnen sie sich im Aufwind. Zur großen Demonstration in Gorleben erwartet die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg mehr als 10 000 Teilnehmer. Sprecher Wolfgang Ehmke sieht sogar schon eine Renaissance der Anti-Atom-Bewegung.

20 Kilometer östlich von Lüchow legen Freiwillige letzte Hand an die Dächer von einem halben Dutzend Häuser aus Holz und Brennnessel-Heu. In Gedelitz, einem Nachbardorf von Gorleben, entsteht eine neue „Republik Freies Wendland“. So hatten Atomkraftgegner vor 28 Jahren ihr Hüttendorf genannt, mit dem sie einen Monat lang gegen Bohrungen im Gorlebener Salzstock protestierten und alternatives Leben probten. Die Nachfolge- Republik ist zwar deutlich kleiner, aber sie verfügt immerhin über eine Passstelle , eine Küche und eine Teestube. Am Freitag wurde die Öko-Siedlung feierlich eröffnet. Neben Kaffee und Kuchen gab es für Bewohner und Besucher Wendenpässe, Journalisten erhalten einen Wenden-Presse-Ausweis . Auf dem Dorfplatz bemalten und beschrifteten Atomkraftgegner ein langes Stoff-Transparent mit Protest-Parolen. Die „Republik Freies Wendland“ ist ein Symbol für Bürgerengagement und demokratische Mitbestimmung , sagt Heinrich Kranz, einer der Initiatoren.

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