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Politik: Schüsse ins Trübe

Die israelische Armee hat kaum Informationen über den Feind – die Geheimdienste sollen schuld sein

Die israelischen Geheimdienste, allen voran der militärische Nachrichtendienst, haben versagt. Darin sind sich die Experten einig. Auch in Armeekreisen wird zusehends Kritik laut. Es gibt nichts Schwereres für einen Geheimdienst als in eine straff geführte, ideologisch geprägte, religiös motivierte Terrororganisation einzudringen. Vor allem, wenn sie von fremdem Territorium aus agiert. Die pro-iranische, schiitisch-libanesische Hisbollah ist, genauso wie die radikalislamistische Hamas im Gazastreifen, kaum zu knacken. Ausreden für ihr Versagen im anhaltenden Libanonkrieg gibt es für die israelischen Geheimdienstler also genug. Doch diese Ausreden decken noch lange nicht die ganze Bandbreite des Versagens der Nachrichtendienste ab. Vor allem aber haben sie unzählige Menschenleben gefordert, auf israelischer wie libanesischer Seite.

Vor dem heißen Krieg gab es, wie der Geheimdienstspezialist Ronen Bergman enthüllte, einen bis ins Absurde abgleitenden „Ego-Krieg“ der Geheimdienste. Nicht weniger als acht verschiedene Dienste hätten sich vor allem im internen Kompetenzgerangel gegenseitig aufgerieben. Gestritten wurde auch über Parkplätze beim Oberkommando Nord. Erst jetzt haben die drei wichtigsten Informationsbeschaffer, der militärische Nachrichtendienst, der Mossad-Auslandsdienst und der Shabak-Inlandsdienst, ihre Differenzen beiseite gelegt und eine enge Zusammenarbeit beschlossen.

Der Auslöser des Krieges, der Überfall auf eine Grenzpatrouille, bei dem zwei Soldaten entführt und drei getötet wurden, war voraussehbar. Der Nachrichtendienst der Armee hatte seit Monaten vor Entführungsversuchen gewarnt, konnte aber weder Ort noch Zeitpunkt voraussagen. Übel nahm ihm das keiner – schließlich war es nicht das Einzige, was nicht funktionierte. Die Truppenkommandeure vor Ort beklagten sich, sie müssten ohne die notwendige Information über den Feind ihre Leute in den Kampf schicken. Wahrscheinlich, so Experten, seien die Informationen nicht von oben nach unten weitergegeben worden.

Der Publizist Akiva Eldar sieht nicht nur ein vertikales Kommunikationsproblem innerhalb der Armee, sondern noch dazu eines auf höchster Ebene zwischen Militär und Politik. Er ist überzeugt, dass der militärische Nachrichtendienst sehr wohl wusste, dass die Hisbollah über iranische Raketen verfügt, mit denen beinahe ein Raketenschiff versenkt wurde. Die Geheimdienstler bestreiten, von der Anzahl der feindlichen Raketen überrascht worden zu sein.

Ebenso ahnungslos gaben sich die Nachrichtendienstler im Hinblick auf Verstecke, in denen Raketen eingelagert sind. Dreieinhalb Wochen nach Kriegsbeginn werden immer noch 8000 bis 9000 Raketen „vermisst“. Auch erklärt sich die kämpfende Truppe überrascht, wie weitverzweigt die unterirdische Infrastruktur der Hisbollah sei. So galt das libanesische Dorf Jarun bislang als „ruhig und freundlich“. Jetzt erfahren die benachbarten Israelis plötzlich, dass sie nur die „freundliche“ südliche Seite des Dorfes gesehen haben, während die Hisbollah auf der nicht einsehbaren nördlichen Abhangseite jahrelang baute.

Die Nachrichtenbeschaffung auf unterster Stufe hat also versagt. Bei der primitiven menschlichen Information sei man gescheitert, so Bergman. Früher kamen die armen libanesischen Bauern nächtens an die Grenze und erzählten für ein paar Banknoten, was in ihrem Dorf geschieht. Und jetzt? Von mehr als 170 südlibanesischen Dörfern seien Dossiers mit genauen Angaben über die Anzahl von Hisbollah-Kämpfern, Stellungen und Waffenlagern angelegt worden, heißt es beim militärischen Nachrichtendienst. Den israelischen Soldaten nutzen sie nichts: Die Dossiers wurden verlegt.

Die bisher letzte Klage aus höchsten Armeekreisen war am Donnerstag zu hören: Hätte man brauchbare Informationen, könnte man die Hisbollah-Führung genauso aus der Luft liquidieren, wie es im Gazastreifen mit den Terroristen und deren Hintermännern geschehen sei. 23 Tonnen Bomben wurden auf einen unter einer Beiruter Moschee versteckten Bunker abgeworfen, weil der Nachrichtendienst dort die zentrale Kommandantur der Hisbollah und deren politische Führung einschließlich Scheich Nasrallah vermutete. Doch weit gefehlt: Über die exakte Lage des Hisbollah-Hauptquartiers rätseln Israels Geheimdienste noch heute. Dass die technologische Aufklärung im Libanon nicht funktioniert, veranschaulicht auch der vergebliche Angriff auf ein vermeintlich leicht auszumachendes Ziel – die Fernsehstudios des Hisbollah-Senders „Al Manar“. Nach mehreren vergeblichen Attacken der israelischen Armee grinste ein Hisbollah-Führer in die TV-Kamera und spottete in Richtung Feind: „Wir senden übrigens vom Berg aus. Falls diese Information irgendjemandem nützt.“

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