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Schuldenkrise: Banken wehren sich gegen Zwangskapitalisierung

Bei einem Schuldenschnitt für Griechenland würden vor allem die Banken viel Geldverlieren. Um nicht pleite zu gehen, brauchen sie mehr Eigenkapital.Wo soll das herkommen?

Von Antje Sirleschtov

Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder am 23. Oktober in Brüssel treffen, wird eine der zu erwartenden Entscheidungen ganz besondere Aufmerksamkeit erregen: Ob die Steuerzahler in Europa nach der Lehmann-Pleite 2008 zum zweiten Mal ihre Banken aus der Krise herauspauken müssen. Wobei die Tatsache, dass es zu Staatshilfen für die Banken kommen muss, wenn etwa Griechenland an einem Schuldenschnitt nicht mehr vorbeikommt, eigentlich gar nicht mehr infrage steht. Spannend ist lediglich noch, wer die Zeche zahlen wird.

Das Szenario eines Schuldenschnitts für pleitebedrohte Euro-Länder birgt vor allem ein Risiko für die Finanzindustrie. Weniger in den Büchern deutscher Banken, dafür aber milliardenfach in denen ihrer europäischen Nachbarhäuser, liegen Staatsanleihen von Griechenland, Italien, Portugal und Spanien. Bei einem Schuldenschnitt müssten die Banken diese Papiere neu bewerten, was zum Teil drastische Auswirkungen auf ihre Eigenkapitalbasis hätte. Vereinfacht gesagt: Die Geldhäuser können dann nicht mehr genug Eigenkapital aufweisen, um Kredite zu besichern. Im schlimmsten Fall wären sie pleite. Dieser Dominoeffekt könnte zu einem Zusammenbruch des europäischen Finanzsystems führen, ja sogar eine neue globale Rezession auslösen.

Glaubt man jüngsten Debatten in der EU-Kommission, dann sollen sich Europas Geldhäuser für diesen Fall rüsten, zunächst einmal Geld von ihren Eigentümern einsammeln und mit deren Hilfe ihre Eigenkapitalquote aufstocken. Das könnte unter anderem mit einem Verbot erreicht werden, den Eigentümern Dividenden auszuzahlen. Und wenn das noch nicht ausreichen sollte, um die Kapitalquote zu erhöhen, könnten die Banker gezwungen werden, vom Staat Geld anzunehmen – unter Auflagen natürlich.

Lesen Sie auf Seite 2 was Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann über einer Zwangskapitalisierung der Banken denkt.

Eine solche Zwangskapitalisierung wurde bereits 2008 diskutiert und wird auch in der gegenwärtigen Lage von Deutschlands Wirtschaftsforschungsinstituten für richtig erachtet. „Zunächst müssen die Eigentümer herangezogen werden“, sagten die Spitzenforscher am Donnerstag bei der Vorstellung ihres Herbstgutachtens, „notfalls auch mittels Ausschüttungsverbot“. Erst im zweiten Schritt sollten die Steuerzahler herangezogen werden. Und zwar genau in der Reihenfolge, wie sie auch die Bundesregierung bislang immer präferiert hat: Erst müssen die Nationalstaaten mit Bürgschaften oder Krediten aushelfen, dann europäische Institutionen, wie die Zentralbank oder der Rettungsfonds EFSF, indem sie den Banken die nicht mehr werthaltigen Staatsanleihen abnehmen.

Für die deutschen Bankhäuser ist eine Zwangskapitalisierung nicht vorstellbar. „Nicht die Kapitalausstattung der Banken ist das Problem, sondern die Tatsache, dass Staatsanleihen ihren Status als risikofreie Aktiva verloren haben“, sagte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann am Donnerstag bei einem Kongress in Berlin und schob den Schwarzen Peter allein den Steuerzahlern zu. Weil sich die Staaten jahrelang von den Banken Geld geliehen haben, das sie nun (zumindest nicht vollständig) zurückzahlen können, müssten auch die Staaten die Lücke schließen, wenn ein Schuldenschnitt nötig erscheint. Dass die Banker an den Staatspapieren jahrzehntelang gut verdient haben, kam dabei jedoch nicht zur Sprache. Für den Deutschbanker Ackermann jedenfalls steht fest, dass sein Geldhaus auch durch diese Krise ohne staatliche Hilfe (und damit auch ohne staatliche Beteiligungen) kommen will. Unterstützung erhielt Ackermann am Donnerstag von der Europäischen Zentralbank (EZB), die ebenfalls davor warnte, die privaten Gläubiger der Staaten bei einem Schuldenschnitt über Gebühr zu belasten.

In einem Brief an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble weist die deutsche Kreditwirtschaft nun sogar auf juristische Risiken staatlicher Eingriffe in die Eigentumsrechte hin. Daher sei es wichtig, dass die Banken ausreichend Zeit bekämen, ihre Kapitaldecke selbst zu stärken, heißt es in dem Schreiben des Dachverbands der deutschen Institutsgruppen. EU-Kreisen zufolge bekommen die Geldhäuser hierfür wohl drei bis sechs Monate eingeräumt.

Wie teuer es voraussichtlich werden wird, Europas Banken zu retten, soll ein Blitz-Stresstest ermitteln. Darin unterstellt die Europäische Bankenaufsicht EU-Kreisen zufolge, dass alle Staatsanleihen der Euro-Krisenländer zu aktuellen Marktpreisen bewertet werden. Alle Institute, die unter diesen Bedingungen nicht mindestens eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent erreichen, müssen sich den Plänen zufolge frisches Kapital besorgen. Für die Deutsche Bank ergäbe sich auf Basis dieser Berechnungen Finanzkreisen zufolge ein Bedarf von neun Milliarden Euro, bei der Commerzbank kommen Experten von Morgan Stanley auf ein ähnliches Niveau. Europaweit fehlen nach Schätzungen von Credit Suisse 220 Milliarden Euro und zwar bei gut zwei Dritteln der rund 90 wichtigsten Geldhäuser.

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