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Bildungsexperten haben erneut Alarm geschlagen.

© imago images / photothek

Schule macht lebensuntüchtig: Klopapier und Neues von der Pisa-Front

Wenn dieses Land nicht zerfallen und absteigen soll, müsste Bildungspolitik den gleichen Stellenwert haben wie Klimaschutz. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Martenstein

Am Heinrich-Schliemann-Gymnasium in Prenzlauer Berg sollten die Schüler kürzlich Klopapier und Seife selber mitbringen, falls sie planten, eine Toilette zu besuchen. Nach wiederholten Akten des Vandalismus sah die Schulleitung keinen anderen Weg mehr.

Noch ein wenig düsterer scheint die Lage an einer Pankower Oberschule zu sein, wo der Unterricht komplett ausfallen musste. Sämtliche Klos waren so verdreckt, dass keiner mehr hinein konnte. Wie heißt es doch im Schatzkästlein der deutschen Sprichwörter? Ein voller Darm studiert nicht gern.

Parallel dazu treffen neue Hiobsbotschaften von der Pisa-Front ein. 21 Prozent der 15-Jährigen können in Deutschland, trotz Schulpflicht, keinen einfachen Text lesen und verstehen, in Berlin ist die Zahl höher. Der Staat erfüllt seine Kernaufgabe nicht mehr, allen Kindern ein Minimum an Chancen und Bildung zu verschaffen.

Diese Menschen werden keinen Zugang zu Jobs mit Zukunft haben, ein Tsunami an sozialen Problemen rollt auf uns zu. Mann der Stunde scheint der Bildungsforscher Jürgen Baumert zu sein, der 2011 bis aufs Prozent genau die Zahl der heutigen Beinahe-Analphabeten unter den Schülern vorausgesagt hat. Er brauchte dazu nur die Geburtsstatistik.

2000 hatten 22 Prozent der 15-Jährigen einen Migrationshintergrund, heute sind es 36 Prozent, bald werden sie wohl die Mehrheit stellen. Von diesen 15-Jährigen können sogar 50 Prozent nicht wirklich lesen, obwohl die weitaus meisten in Deutschland geboren wurden. Sie sind nicht dümmer als andere.

Wenn die Eltern sich abschotten

Aber die Verhältnisse, aus denen sie kommen, sind sozial schwach. Und in ihrem Milieu kämpfen viele Eltern nicht um sozialen Aufstieg, nein, sie schotten sich ab. Wichtigstes Indiz: Die Deutschkenntnisse werden in dieser Gruppe nicht besser, sondern schlechter.

Wenn dieses Land nicht zerfallen und absteigen soll, müsste Bildungspolitik den gleichen Stellenwert haben wie Klimaschutz. Und die Bildungspolitik müsste sich ändern. Beides ist nicht zu erkennen. Die Einheitsschule und die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, heilige Kühe der Linken, haben wenig bis nichts gebracht. Der Plan, fast alle Kinder zum Abitur zu führen, wird spätestens dann irrsinnig, wenn viele Kinder nicht einmal mehr Lesen können und Handwerker keine Azubis finden.

Eines der Hauptübel ist auch die protektionistische Pädagogik, die Kinder vor „Überforderung“ schützen will und ihnen die Lüge einredet, Erfolg sei ohne Anstrengung zu haben. Eine Schule, die nicht Leistungswillen fördert, macht lebensuntüchtig.

Dieser Irrweg wurde kürzlich auch von der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen gegeißelt, das ist endlich mal ein Hoffnungsschimmer.

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