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Szene einer Koalitionsehe. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vizekanzler, Wirtschaftsminister Philipp Rösler, im Bundestag.

© dpa

Schwarz-Gelb: Die Regierungskoalition rettet sich in Arbeitskreise

Union und FDP haben weiter Streit – nur tragen sie ihn erst einmal nicht aus. Für die Rente und zur Verhinderung eines weiteren Anstiegs der Strompreise wollen die Koalitionäre aber noch Gesetzentwürfe vorlegen, bevor gewählt wird.

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Gestritten haben sie sich nicht – was in diesem Fall eine schlechte Nachricht ist. Denn es hätte ja Grund genug gegeben, am Donnerstagabend Tacheles zu reden bei einem der letzten Koalitionsgipfel von CDU, CSU und FDP im Wahljahr. Was man anderntags so hört – „total entspannt“, sagt einer aus der Union, „nett“ fand es sogar ein Freidemokrat – bestätigt aber nur, was als Eigentlich-kein-Ergebnis zu vermelden war: Arbeitsgruppen gebildet, Streitpunkte vermieden und vertagt.

Nun war die Runde aus einem simplen Grund entspannter als frühere Treffen: Im Kanzleramt saßen nicht mehr zwei FDPen – hier Philipp Rösler, der bedrängte Parteichef, da Rainer Brüderle, der drängende Parteichef in spe. Rösler hat die Machtfrage vorläufig geklärt, Brüderle sieht sich als Sexist an den Pranger gestellt – zu besichtigen, sagt ein Unionsmann, sei ein neues Miteinander einer freidemokratischen „Leidensgemeinschaft“. Brüderle merke man an, dass ihn der Vorwurf, den er ungerecht findet, getroffen hat.

Der Schmusekurs ist auch deshalb interessant, weil es vorher anders klang. Die CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel etwa ist durch den Niedersachsen-Wahlkampf gezogen mit der Ankündigung, über das Thema Lohnuntergrenze werde man mit der FDP noch mal ernsthaft reden müssen – kein Wort darüber in der Runde.

Kein Wörtchen ist auch gefallen über die Frage, wie sich eventuelle Mehrausgaben für Rentner mit dem Ziel des ausgeglichenen Haushalts 2014 vertragen. Das Schweigen könnte freilich damit zusammenhängen, dass das Problem vielleicht kleiner ist als gedacht. „Wolfgang Schäuble stapelt sehr tief“, sagt ein Spitzenkoalitionär. Der Finanzminister rechne sich ärmer, als er demnächst sei: Weil die Konjunktur entgegen den offiziellen Prognosen wieder anziehe, müsse er so viele Milliarden vermutlich gar nicht sparen.

Die ganze Nettigkeit täuscht freilich nicht darüber hinweg, dass in der Sache harte Streitpunkte im Raum stehen. Dass der Rentenstreit jetzt auf hoher Ebene von den Fraktionsspitzen geklärt werden soll, löst die Konflikte noch nicht, die vor allem zwischen CDU und CSU fortbestehen. Trotzdem registrieren Koalitionäre sachte Bewegung: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) redet neuerdings von einem „Gesamtkonzept“, zu dem sie ausdrücklich nicht nur ihre „Lebensleistungsrente“ rechnet, sondern auch die Forderung von Kauder und der CSU nach Schritten zur Angleichung der Mütterrenten für vor 1992 geborene Kinder.

Der Zeitdruck wächst.

Kauder jedenfalls verspricht im Frühstücksfernsehen, man habe zwar nur Arbeitsgruppen gebildet, die aber „mit ganz klarem Ziel“: Lösung bis zum nächsten Treffen am 28. Februar. Derlei Versprechen hat man öfter gehört. Doch der Zeitdruck wächst: „Wenn wir da nicht mit irgendetwas rumkommen“, sagt ein Teilnehmer der Runde, „dann wird’s kompliziert mit der Rechtfertigung.“

Das gilt auch für das letzte gemeinsame Energiewendeprojekt, das die Koalition vor der Wahl noch zustande bringen will – die von Umweltminister Peter Altmaier (CDU) vorgelegten Vorschläge, wie der Strompreis zumindest bis 2014 stabil gehalten werden könnte. Altmaier und Rösler in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister sollen als Mini-Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf aushandeln. Merkel sagte am Freitag, durch einen Ökostromanteil von 25 Prozent habe sich die Lage grundlegend geändert, man müsse schauen, wie die erneuerbaren Energien vernünftig in das bestehende System integriert werden könnten. Altmaiers Vorschläge nannte sie „wertvoll, wichtig und gut“. Der CDU-Wirtschaftsrat fordert derweil die Abschaffung des Vorrangs für Erneuerbare Energien. Bisher werden Wind- oder Sonnenstrom bevorzugt ins Netz eingespeist. Der Unions-Wirtschaftsflügel will dieses Privileg beenden und die - bisher allerdings ziemlich kostspielige - Marktprämie zu einem "Marktintegrationsmodell" ausbauen. Altmaier dagegen will am Vorrang für erneuerbare Energien nicht rütteln, hat er mehrfach versichert. Altmaiers Deckelungsvorschläge haben bei der Erneuerbare-Energien-Branche einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Einfach wird es jedenfalls nicht, einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorzulegen. Altmaier will die EEG-Umlage für Stromkunden bei 5,28 Cent pro Kilowattstunde halten und dafür unter anderem die energieintensive Industrie stärker belasten. Rösler hat dem nicht direkt widersprochen. Die FDP setzt aber auf eine niedrigere Stromsteuer und ein komplett neues Fördersystem.

Einen kleinen Sieg in diesem Streit kann die FDP schon verbuchen. Die schwarz-gelbe Landeskoalition in Sachsen hat sich darauf verständigt, das von der FDP favorisierte Quotenmodell gemeinsam in den Bundesrat einzubringen. Das bisherige EEG sei ineffizient, denn das unternehmerische Risiko trügen wegen der fixierten Einspeisevergütung nicht die Investoren, sondern die Netzbetreiber und letztlich die Stromverbraucher, rügen schwarze wie gelbe Sachsen.

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