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Schwarz-Gelb: Koalition der Kollision

Die einen sprechen von "Durchbruch", die anderen davon, dass sich "zunächst gar nichts" ändert. In der Gesundheits- und Steuerpolitik lässt Schwarz-Gelb nur wenig Harmonie erkennen.

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Berlin - Dass es heftigen Streit um die Gesundheitspolitik geben würde, war schon daran abzulesen, wie die neuen Partner ihre Einigung verkündeten. FDP-Chef Guido Westerwelle freute sich über den „Durchbruch“, Horst Seehofer stellte klar, das sich „zunächst gar nichts“ ändern werde. Und aufmerken ließ zudem der besondere Hinweis des CSU-Chefs, dass alle „Formulierungen“ des Koalitionsvertrags von ihm „mitentwickelt worden“ seien. Sollte nur ja keiner glauben, die Christsozialen und ihr im Thema besonders versierter Vorsitzender seien von den Liberalen über den Tisch gezogen worden.

In der Opposition möchten sie nun genau dies glauben machen. Mit seinem Pochen auf ein solidarisches System versuche Seehofer jetzt, „sein Umfallen zu kaschieren“, hämt die Vizechefin der SPD- Fraktion, Elke Ferner. Schließlich sehe der von der CSU mitgebilligte Koalitionsvertrag einkommensunabhängige Beiträge ebenso ausdrücklich vor wie das Einfrieren des Arbeitgeberanteils. Und beides sei „ganz klar ein Systemwechsel“.

Was Ferner referiert, ist jedoch allein die Lesart der Liberalen. Vom ersten Tag an müht sich deren Gesundheitsminister Philipp Rösler, die Vereinbarung als Aufbruch in ein anderes, freiheitlicheres System darzustellen. Das Dumme ist nur, dass die CSU permanent gegenhält. Und dass Seehofer den Neuen gleich noch als Naivling abkanzelt. Er, Seehofer, habe genug Reformen verhandelt, um zu wissen, dass es einen radikalen Systemwechsel nicht geben könne. „Ich bin mir sicher, dass auch ein FDP-Gesundheitsminister zu dieser Erkenntnis rasch gelangt.“

Ist nun also ein Systemwechsel vereinbart oder ist er es nicht? „Die Wahrheit“, sagt der CDU-Experte Jens Spahn, „liegt in der Mitte.“ Beschlossen habe man zwar „den Einstieg“ in eine lohnunabhängige Finanzierung. „Wie und in welchem Umfang, ist aber offen.“ Und die Verhandlungen darüber, so mahnt Spahn, sollte man „lieber intern führen als über die Medien“.

Tatsächlich sind die Formulierungen im Koalitionsvertrag so vage wie interpretationsfähig. „Langfristig“ werde das Ausgleichssystem in eine andere Ordnung überführt, heißt es etwa. Man wolle eine „weitgehende“ Entkopplung der Gesundheits- von den Lohnzusatzkosten. Und anvisiert seien „mehr“ Beitragsautonomie, regionale Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge.

In Wahrheit habe es keine Einigung gegeben, behauptet der SPD-Experte Karl Lauterbach. „Dies versucht die Koalition nun zu übertünchen.“ Die FDP und Teile der Union wollten den Einstieg in eine Gesundheitsprämie, die nordrhein-westfälische CDU wolle bis zur Wahl nichts ändern und Seehofer lehne die Prämie ganz ab. Mit der neuen Regierung werde sich nur die Versorgungsqualität verschlechtern, so Lauterbach. „Für das Gesundheitssystem wird das eine verlorene Legislaturperiode." Weil die FDP ihre Klientel zu bedienen habe, sei zu erwarten, dass die Öffnung der Kliniken für ambulante Behandlung zurückgedreht und die Gesundheitskarte gestoppt werde. Auch den Chroniker-Programmen, mit denen man die Zahl der Schlaganfälle bei Zuckerkranken immerhin um ein Drittel reduziert habe, drohe das Aus.Zu einer rigorosen Finanzreform aber werde es trotz aller Ankündigung nicht kommen – weil die Bürger es nicht wollten. „Die haben in der Krise einfach keinen Bedarf für noch mehr Ungerechtigkeit und Ungleichheit.“

Und auch bei dem Thema Steuerreform gehen die Ansichten von CDU/CSU und FDP weiterhin weit auseinander. Während führende Liberale gerne wiederholen, dass eben genau diese Steuerstrukturreform – mit niedrigeren Sätzen und weniger Stufen – im Koalitionsvertrag vereinbart sei, erwähnen vor allem Unionspolitiker gerne, dass dafür vermutlich überhaupt nicht genug Geld vorhanden sein wird. Neuen Stoff werden die Streithähne zum Ende der Woche bekommen: Dann prognostizieren die Steuerschätzer die Einnahmen des Staates für das kommende Jahr. Gute Nachrichten werden sie für die Steuersenker kaum mitbringen. Zwar bezeichnete das Bundesfinanzministerium Medienberichte über ein nur geringes Steuerplus oder gar sinkende Einnahmen als verfrüht. Falsch nannte das Ministerium die Spekulationen aber auch nicht.

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