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Schwarz-Gelb - ein Modell für die Zukunft?

© imago stock&people

Schwarz-Gelbe Gespräche: In der Kartoffelküche

Die FDP ist nicht im Bundestag, niemand denkt an Schwarz-Gelb. Trotzdem reden CDU-Politiker mit den Liberalen regelmäßig im kleinen Kreis.

Von Antje Sirleschtov

Natürlich liegt schon im Namen mehr Charme: Pizza-Connection! Das klingt nach sonnenreifen Tomaten, und jeder darf sich dazu seine Lieblingszutaten wünschen. Kartoffelsuppe dagegen braucht schon kräftig Würze, damit was Schmackhaftes daraus wird. Steffen Kampeter und Otto Fricke haben ihren schwarz-gelben Gesprächskreis dennoch "Kartoffelküche" genannt. Oder vielmehr gerade deswegen: Die Kartoffel, sagen beide, sei ein zutiefst bürgerliches Lebensmittel. Und um das Bürgerliche geht es ihnen ja schließlich in ihrer Runde. Jetzt, wo die FDP nicht mehr im Bundestag ist und die CDU "versozialdemokratisiert" wird, wie es so häufig heißt.

Man trifft sich in unregelmäßiger Abfolge im "Xantener Eck"

Zwei Jahre gibt es sie nun schon, die Kartoffelküche. Man trifft sich in unregelmäßiger Abfolge im "Xantener Eck" in der Berliner West-City und spricht bei deftiger "bürgerlicher" Küche über die Themen des politischen Alltags und der Zukunft. Kartoffelgerichte hat der Wirt neuerdings auch auf dem Speisezettel. Als die beiden Politiker aus Nordrhein-Westfalen, die seit geraumer Zeit auch eine persönliche Freundschaft verbindet, das Ende der schwarz-gelben Koalition Ende 2013 verdaut hatten, war ihnen rasch klar: Das soll noch nicht das letzte Wort gewesen sein. War da auch der Wunsch, Schützenhilfe für die aus dem Bundestag geflogene FDP zu leisten? Vielleicht sogar schlechtes Gewissen des CDU-Mannes Kampeter? Schließlich hatte die Union ihrem liberalen Koalitionspartner das wichtigste Thema, Steuersenkungen, gleich zu Beginn der gemeinsamen Regierungszeit 2009 bis 2013 kaputt gemacht und auch kurz vor der Bundestagswahl keinen Finger gerührt, um der FDP womöglich noch den ganz großen Absturz zu ersparen.

Nein, so will Steffen Kampeter seinen Gründungsimpuls nicht verstanden wissen. Und auch Fricke mag davon nichts hören: "Da waren wir schon selber schuld", sagt er.

Dass die Verletzungen aus gemeinsamer Regierungszeit so groß waren, überraschte alle

Dennoch: Beinahe ein Jahr haben die meist 30 bis 40 Teilnehmer der Runde gebraucht, um die Wunden zu lecken. Was übrigens beide, Kampeter und Fricke, nicht erwartet hatten. Als "vertrauensbildende Maßnahme" hatten die Initiatoren zwar Anfang 2014 den Kreis erstmals zusammen gerufen. Dass die Verletzungen aus vier Jahren gemeinsamer Regierung allerdings so groß waren, das hatten auch sie nicht vermutet.

Seit Anfang diesen Jahres scheint es nun aber wieder bergauf zu gehen mit der schwarz-gelben Verständigung. Die Runde sucht sich für jedes Treffen ein politisches Thema aus; mal geht es um die Zukunft der Arbeit, mal um Digitale Strategie. Zu Beginn lädt man sich Referenten ein, bislang regelmäßig Journalisten aus dem Berliner Politikbetrieb. Dann steigen die Teilnehmer in Debatten ein.

Im Kern, sagt Steffen Kampeter, gehe es um "das Verhältnis von Bürger und Staat". Die Definitionshoheit solle nicht Grünen oder gar Sozialdemokraten überlassen werden. FDP-Mann Fricke ergänzt: "Wenn wir miteinander an Sachthemen unsere Sicht auf das Verhältnis von Bürger und Staat austauschen, werden doch schon Unterschiede deutlich." Also arbeitet man in der Kartoffelküche an Alternativmodellen zu Schwarz-Grün – Liberal-Konservativ soll gestärkt werden. Debatten nur aus intellektuellem Selbstzweck, weil man sich kennt und lange in einer Koalition gearbeitet hat? Bestimmt nicht.

Die Umfragewerte der FDP steigen wieder

Ganz klar: Wer sich in der "Kartoffelküche" trifft, hat die Hoffnung auf ein Relaunch der Koalition von Union und FDP nicht aufgegeben. Dazu muss die FDP zwar erst einmal 2017 wieder in den Bundestag kommen. Nach den letzten Umfrageergebnissen könnte das sogar klappen – und seitdem steigt auch die Stimmung in der Küche. Zu den Liberalen, die regelmäßig vorbei schauen, zählen ehemalige Fraktionsmitglieder – jüngere und ältere, wie der letzte Parlamentarische Geschäftsführer Jörg van Essen. Und liberale Politiker aus Landesverbänden, wo man zum Teil im Parlament sitzt. Aber auch Nicht-Parlamentarier mit FDP-Buch kommen, und zuletzt war sogar Nicola Beer, die Geschäftsführerin der FDP, da. Verständlich, es geht auf 2017 zu, da gehört es zu ihrem Job, die Lage zu sondieren und Gesprächsfäden zu knüpfen. Küchenchef Fricke jedoch warnt bereits: Wem es darum gehe, beim Verteilen des Bären einen guten Platz zu ergattern, der sollte nicht in die Küche kommen. Das würde nicht helfen. Posten habe man hier nicht zu vergeben.

Auch Vertreter der Jungen Union schauen vorbei

Für die Teilnehmer der Runde aus der CDU geht es ganz klar um Koalitionsoptionen. Das Ehepaar Schröder nimmt regelmäßig teil. Sie (Kristina) war einst Familienministerin, er (Ole) ist heute Staatssekretär im Innenministerium. Auch Annette Widmann-Mauz, Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, wurde schon gesehen. Jens Spahn isst ganz offenbar sowohl Pizza als auch Kartoffelsuppe, natürlich schauen auch Vertreter der Jungen Union vorbei. Sonst ist man verschwiegen, was Inhalte und Teilnehmer betrifft – Vertrauen untereinander wird hoch gehalten, und niemand von den Unionsleuten möchte gern am nächsten Tag in der Zeitung lesen, was er/sie über den Kurs der aktuellen Koalition aus CDU, CSU und SPD denkt.

Was die Aussichten auf ein solches Bündnis betrifft, soll man zwar niemals "nie" sagen. Die Wahrscheinlichkeiten jedoch sind aus heutiger Sicht begrenzt. Zumal die AfD in der Flüchtlingskrise mit ihrem Kurs der Begrenzung Zulauf unter den Wählern erhält, und es nicht ausgeschlossen ist, dass sie im Herbst 2017 in den Bundestag einzieht.

Für Otto Fricke gilt der APO-Status ja schon seit Herbst 2013

Die schwarz-gelbe Kartoffelküche übrigens wird in naher Zukunft sogar komplett aus der außerparlamentarischen Opposition heraus organisiert werden, was auch etwas Bezeichnendes hat. Für Otto Fricke gilt der APO-Status ja schon seit Herbst 2013, als er erst die FDP-Fraktion im Bundestag abwickelte. Seither bringt er als Unternehmensberater bei der Agentur CNC seine Kontakte zwischen Politik und Wirtschaft ins Spiel. Bald wird nun auch Steffen Kampeter für den Eintritt in die Gebäude des Bundestags einen sogenannten Lobby-Ausweis benötigen. Denn ab Juli 2016 wird Kampeter Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) – und dann sein Abgeordnetenmandat abgeben. Seinen langjährigen Job als Staatssekretär im Finanzministerium hat er bereits aufgegeben.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 24. November 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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