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2017 scheiterte der schwarz-grüne Versuch einer Regierungsbildung noch an der FDP.

© Kay Nietfeld/dpa

Schwarz-grünes Bündnis: Die Pizza-Connection will es nochmal wissen

Das erste Treffen fand bei einem Bonner Italiener statt. 25 Jahre nach ihrer Gründung rückt das Ziel der Gruppe näher: Eine schwarz-grüne Koalition im Bund.

Viktor Vavricka hat letztens eine besondere Gruppe zu Gast gehabt. Der Gesandte der Schweizerischen Botschaft in Berlin spricht diplomatisch von einem „Austausch mit einem Kreis von CDU/CSU- sowie Grünen-Abgeordneten zu außenpolitischen Themen am 27. November 2019“.

Dahinter verbirgt sich ein streng zu Vertraulichkeit verpflichteter Zirkel, der es wissen will. 25 Jahre nach der Gründung will die Gruppe bald ihr Ziel erreichen: eine schwarz-grüne Koalition im Bund.

Italienische Spezialitäten wurden dieses Mal nicht gereicht, vielleicht sollte sich die 1995 in Bonn gegründete Pizza-Connection angesichts des Treffpunkts in Fondue- oder Käse-Connection umbenennen. „Den Namen Pizza-Connection bekommt man nicht mehr weg“, sagt ein Teilnehmer. In Bonn fand das erste Treffen beim Italiener „Sassela“ statt, daher der Name.

Als es 1998 zur rot-grünen Koalition kam, schlief das Ganze ein. Während der großen Koalition (2005 bis 2009) wurde die Pizza-Connection unter anderem von Hermann Gröhe (CDU) und Thea Dückert (Grüne) wiederbelebt, aber die Dynamik der Anfangszeit war erstmal weg, 2009 folgte dann Schwarz-Gelb. Als die Sondierungen von CDU/CSU und Grünen nach der Wahl 2013 scheiterten, liefen sich die darüber enttäuschten Jens Spahn und Omid Nouripour über den Weg und beschlossen das Comeback der Connection.

Bei den ersten Treffen wurden sogar die Scheiben von Restaurants abgeklebt, damit nichts publik wird. Nouripour sagt zu den damals etablierten Grundprinzipien: „Eine politische Zusammenarbeit ist keine Ehe, man baut sie nicht in Harmonie auf.“ Wenn es zu langweilig wurde, hätten er und Spahn gezielt Streit angefangen.

Zu den Zusammenkünften der heutigen Pizza-Connection ist es gar nicht so leicht, Details zu erfahren – daher müssen die Angaben aus Gesprächen mit Teilnehmern hier anonymisiert erfolgen. Das nächste Treffen ist übrigens bereits terminiert: Für den 14. Februar steht es in den Terminkalendern. Es gibt heute zwei Bedingungen: Es wird gestritten und beide Seiten sind breit aufgestellt. Bei den Grünen sollen Realos wie Parteilinke vertreten sein, bei der Union auch Vertreter des konservativen Flügels.

Die Schwarzen machen Karriere, die Grünen nicht

Ein Bonmot lautet: Die Schwarzen aus der Connection machen Karriere, die Grünen nicht. Peter Altmaier ist heute Bundeswirtschaftsminister. Zuvor war er wie Ronald Pofalla Kanzleramtschef, der ist heute gut dotierter Bahn-Vorstand. Und Gesundheitsminister Spahn hegt Kanzlerambitionen. Auch Norbert Röttgen wurde Minister, ebenso Julia Klöckner und Kristina Schröder. Bei den Grünen wartet zum Beispiel Cem Özdemir immer noch auf Ministerweihen, Katrin Göring-Eckardt wurde immerhin Fraktionschefin. Aktuell ist die Unions-Seite mit 15 Leuten vertreten, ebenso kommen die Grünen mit 15 Politikern.

Nachdem Spahn 2018 Gesundheitsminister wurde, übernahm Paul Ziemiak die Koordinierung auf der Unions-Seite. Als er zum Generalsekretär aufstieg, wuchs ein zunächst weitgehend unbekanntes Gesicht in diese Aufgabe ein: Silvia Breher (46). Auch hier gilt: Bei den Schwarzen scheint eine prägende Rolle in der Pizza-Connection der Karriere zuträglich zu sein.

Breher wurde im November als Nachfolgerin Ursula von der Leyens beim Bundesparteitag zur neuen CDU-Vizevorsitzenden gewählt. Sie kommt aus einem „Feindesland“ der Grünen: aus der Schweinemast-Hochburg rund um Cloppenburg, von 2011 bis 2017 war sie Geschäftsführerin des Kreislandvolkverbandes Vechta. Sie kann bis ins Detail erzählen, was wie vom Schwein zu verwerten ist und wie die Region vom China-Export profitiert wegen der dortigen Schweinepest.

Pizza-Connection als Brückenbauer

Aber wenn man sie auf die Pizza-Connection anspricht, ist ihr nichts zu entlocken. Auch dabei ist zum Beispiel der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jürgen Hardt und die CSU-Politikerin Silke Launert. Die Grünen-Seite wird weiter von Nouripour koordiniert, zudem sind zum Beispiel der Innenpolitiker Konstantin von Notz und Vize-Fraktionschefin Agnieszka Brugger dabei. „Es geht darum, die Schmerzgrenzen der anderen Seite kennenzulernen“, sagt ein Mitglied.

Das hilft dann auch für mögliche Koalitionsverhandlungen. Daher soll es nicht zu kuschelig werden. Die umstrittensten Themenblöcke sind Flucht, die Haltung zum Islam, Landwirtschaft, Klimaschutz und neuerdings verstärkt die Verkehrspolitik. Gerade von 2015 bis 2017 kühlte sich das Klima im Zuge des Flüchtlingsstreits deutlich ab. „Da waren die Gräben größer als 2013.“

Die Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis zwischen Union, Grünen und FDP scheiterten, wenngleich dies vor allem der Flucht der FDP aus politischer Verantwortung geschuldet war. Einige Grüne aus der Pizza-Connection sind zugleich auch im R2G-Kreis aktiv, der das Ziel Rot-Rot-Grün hat, so hat man Antennen in beide Richtungen.

Wer besonders gerne über die Anfänge und die Bedeutung der Pizza-Connection als Brückenbauer redet, ist Minister Altmaier. Am 22.März 2018 machte er sie sogar zum Thema im Bundestag. Die soziale Marktwirtschaft sei ja eine Erfindung von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard gewesen, betonte Altmaier. Die Grünen hätten sich in den 90er Jahren aber schließlich auch dem Prinzip angeschlossen, „als wir in der schwarz-grünen Pizza-Connection waren“. An die Adresse des grummelnden Jürgen Trittin sagte Altmaier: „Na ja, er war nie da (…), aber damit sympathisiert hat er schon ab und zu.“

Das größte Problem aus Sicht von Omid Nouripour nach so vielen Jahren der Annäherung ist etwas überraschend: „Ich weiß nicht, wofür die CDU steht, das weiß sie derzeit wahrscheinlich selbst nicht.“ Aber vielleicht bietet das auch die notwendige Flexibilität, damit es nach der nächsten Wahl im dritten Anlauf klappt – und dann auch einige der Grünen aus der Pizza-Connection mal am Kabinettstisch Platz nehmen können. Georg Ismar

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