zum Hauptinhalt

Politik: Schwarze Liste

Die Nachricht klang dramatisch: Die Taliban-Regierung habe eine Todesliste mit 106 Namen afghanischer Oppositioneller erstellt, die im Ausland leben und zum Teil schon als "killed" aufgeführt seien, berichtete am Montag das ARD-Magazin "Report". Hinter vier Namen in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, steht "Deutschland".

Von Frank Jansen

Die Nachricht klang dramatisch: Die Taliban-Regierung habe eine Todesliste mit 106 Namen afghanischer Oppositioneller erstellt, die im Ausland leben und zum Teil schon als "killed" aufgeführt seien, berichtete am Montag das ARD-Magazin "Report". Hinter vier Namen in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, steht "Deutschland". Bei einer weiteren Person ist "Switzerland" hinzugefügt. Es handelt sich offenkundig um den Wirtschaftswissenschaftler und einstigen Diplomaten Dr. Amanullah Rassoul, der für die Exil-Opposition tätig ist. Der 73-Jährige erzählt denn auch eine abenteuerliche Geschichte - die allerdings zweifeln lässt, dass "Report" ein uneingeschränkt authentisches Dokument präsentiert hat.

Rassoul floh im Juni 1979 aus Afghanistan, ein Jahr nach dem Putsch kommunistischer Militärs. "Ein Tag mehr, und ich wäre getötet worden", sagt der Ex-Diplomat. 1987 wurde ihm in der Schweiz Asyl gewährt. Wie zuvor schon in Pakistan engagierte sich Rassoul auch im Alpenland für die afghanische Opposition - "aber friedlich, nicht bewaffnet". Rassoul führt als Präsident ein "Comité de Soutien pour un choix libre des Afghans" (Komitee zur Unterstützung einer freien Wahl der Afghanen) und ist Mitglied einer "Afghan Community for Peace and National Unity" (Afghanische Gemeinschaft für Frieden und Nationale Einheit). Außerdem schreibt er als Chefredakteur für die Zeitschrift "Le Vent de la Liberté" (Wind der Freiheit). Doch diese Aktivitäten reichen nach Ansicht Rassouls nicht aus, um in seiner Heimat einen politischen Wandel zu erreichen. Also habe er vor einem halben Jahr eine Reise nach Afghanistan angetreten.

In der pakistanischen Grenzstadt Peschawar sei er gewarnt worden, sein Name stehe auf einer Todesliste. Rassoul lacht, "ich bin 73 Jahre alt, warum soll ich noch Angst um mein Leben haben?" Allerdings habe er sich vor der Weiterreise nach Kabul einen Vollbart wachsen lassen. In der afghanischen Hauptstadt sei er mit dem Außenminister der Taliban zusammengetroffen, dem als gemäßigt geltenden Wakil Ahmed Mutawakil. Dieser habe zugesagt, dem Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar eine Botschaft zu überbringen. Danach konnte Rassoul, wie er berichtet, Afghanistan problemlos verlassen.

Die Schweizer Polizei und das deutsche Bundeskriminalamt wissen nicht genau, woran sie sind. Sind die in der Liste genannten Personen tatsächlich gefährdet? Bislang sei nie etwas über eine Bedrohung durch Taliban-Leute bekannt geworden. Steckt möglicherweise die afghanische Opposition hinter der Liste - oder ein Warlord, wie Rassoul vermutet? Werden vielleicht auch Namen von Funktionären der Taliban lanciert, damit diese nach einem Sturz des Regimes die Liste als eine Art Persilschein vorzeigen können? Oder ist der Steckbrief nur einer von mehreren? Zumindest für diese Theorie gibt es ein Indiz: Laut "Report" trägt die Liste das Datum 3. Juli 2001 - Amanullah Rassoul wurde aber nach eigenen Angaben schon drei Monate vorher in Peschawar gewarnt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false