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Politik: Schwarze Woche

Nach etlichen Pannen bei Rot-Grün muss Müntefering auch noch die Wahl des Wehrbeauftragten verschieben

Berlin - Am Ende der zehnten Kalenderwoche 2005, die wirklich nicht gut gelaufen ist für Rot-Grün, in der sich die Koalitionäre beharkt, die Minister gestritten und beide Fraktionen im Parlament eine Abstimmung gegen die Opposition verloren haben, zum ersten, womöglich aber nicht zum letzten Mal in dieser Wahlperiode – am Ende dieser überaus unerfreulichen Woche also bittet SPD-Fraktionschef Franz Müntefering seine Stellvertreter zum Frühstück. Es ist Freitag, kurz nach sieben, die Runde trifft sich in einem Raum in der Nähe von Münteferings Büro im Jakob-Kaiser-Haus.Es geht vor allem um den Befreiungsschlag, den der Kanzler mit seiner Regierungserklärung am Donnerstag kommender Woche führen will, um „die zweite Säule der Agenda 2010“, wie sie das in der SPD nennen.

Es geht aber auch um den Fall Robbe. Reinhold Robbe, der 50-jährige Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verteidigung, ehemals Chef des „Seeheimer Kreises“ in der Fraktion und zuverlässiger Unterstützer der Reformpolitik von Gerhard Schröder, ist ein Unsicherheitsfaktor geworden.Eigentlich hätte der Sozialdemokrat vom rechten Flügel am kommenden Donnerstag zum Wehrbeauftragten gewählt werden sollen. Das Problem ist aber erstens, dass Münteferings Wunschkandidat von der SPD-Fraktion am Dienstag nur mit äußerst knapper Mehrheit überhaupt für das Amt nominiert worden ist. Zweitens wird bei der Wahl des Wehrbeauftragten die Kanzlermehrheit fällig, das heißt mindestens 301 der 304 rot-grünen Abgeordneten müssen zustimmen. Und drittens kann sich die Koalition keine neuerliche Schlappe leisten. Nicht nach dieser Woche, die mit Streit über das Antidiskriminierungsgesetz in der Koalition begann und mit Streit über das Raketenabwehrsystem Meads und das Waffenembargo gegen China weiterging. Dazu das Verwirrspiel des Kanzlers um Wachstumsimpulse sowie die verlorene Abstimmung über einen Antrag der CDU zur Geschlechtergerechtigkeit am Donnerstagmorgen. So sehen Krisen aus.

Das alles weiß Müntefering, aber dennoch sagt er in der Frühstücksrunde noch nicht, was ein paar Stunden später schon Nachrichtenlage sein wird: Dass die SPD die Wahl des Wehrbeauftragten in den April verschiebt. Als Grund gibt Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt die Regierungserklärung des Kanzlers am selben Tag an. Das ist aber allenfalls die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte fasst ein Eingeweihter so zusammen: „Wenn alle ganz sicher wären, dass die Wahl klappt, hätten wir es durchgezogen.“

Es gibt eine ganze Reihe SPD-Abgeordneter, die schon lange fürchten, dass es nicht klappen würde mit Robbe – und die das vielleicht auch gar nicht wollen. Das hat mit Vorbehalten gegen den Kandidaten zu tun: Manche nehmen ihm übel, dass er den Wehrdienst verweigert hat, andere halten ihn für zu jung für das Amt. Eine Rolle spielt auch Robbes Zugehörigkeit zum „Seeheimer Kreis“, der kürzlich zusammen mit der Parlamentarischen Linken die Fraktionsgeschäftsführerin Nina Hauer abgewählt hat. Hauer zählt wiederum zum „Netzwerk“, den reformorientierten jüngeren Abgeordneten, die sich bei Robbes knapper Nominierung prompt mit einer Machtdemonstration revanchierten. Es hat sich in Robbes schlechtem Wahlergebnis aber auch eine Art negativer „Münte-Effekt“ niedergeschlagen: Der Unmut einzelner Abgeordneter über den Führungsstil des Chefs. Es sei nicht über die Personalie diskutiert worden, klagen sie in der Fraktion, Müntefering habe kein Feedback eingeholt und Warnungen nicht ernst genommen. „Die Personalpolitik war nicht in Ordnung“, sagt ein Abgeordneter. „Auf diese Weise kann man auch Leute kaputt machen.“

Tatsächlich hat bereits eine Debatte darüber begonnen, ob Robbe als Kandidat zurückgezogen werden muss. „Der Koalitionspartner sollte jemanden präsentieren, der die Mehrheit bekommt. Das Risiko einer Nachwahl sollte vermieden werden“, sagt Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei – passend zum rüden Umgangston von Rot-Grün in der zehnten Kalenderwoche, die ziemlich unerfreulich zu Ende gegangen ist. Für Robbe, für Müntefering und für die ganze Koalition.

Reinhold Robbe ist seit 1994 im Bundestag und seit 2002 Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Nun will der 50-jährige „ungediente“ SPD-Mann Wehrbeauftragter werden. Da die Entscheidung in der SPD knapp war, stellte die FDP Günther Nolting als Gegenkandidaten auf. Tsp

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