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Politik: Schwarzer Sieg und roter Zwist

Von Gerd Appenzeller

Das also war der zweite Schlag. Nach der JuniSchlappe bei der Europawahl hat die SPD nun an der Saar ein Drittel der Stimmen verloren. Wenn nicht ein Wunder geschieht, oder besser deren drei, werden die Sozialdemokraten in 14 Tagen in Brandenburg nur zweiter Sieger hinter der PDS sein, und in Sachsen könnte ihr Wahlergebnis gar nur einstellig ausfallen. Wenn dann am 26.September bei der nordrhein-westfälischen Kommunalwahl die sozialdemokratischen Mandatsträger zu Tausenden vom Hartz-Zorn aus den Ämtern gejagt werden, schließt sich für die große deutsche Arbeiterpartei ein Ring von Wahlterminen zu einem Teufelskreis: Die SPD muss zu ihren Reformen stehen und weiß doch, dass sie mit dieser Politik die Wähler nicht überzeugt – noch nicht, so hofft sie.

Der Opfergang der Reformpartei war freilich nur eine von vielen Erklärungen für den Unionssieg an der Saar. Natürlich ist es fatal, wenn sich der eigentlich als sozialdemokratischer Hoffnungsträger und Wahlhelfer ausersehene Oskar Lafontaine für den Spitzenkandidaten Heiko Maas eher als Last erweist. Man kann in einem Bundesland gegen den Trend und gegen die Bundespartei erfolgreich Wahlkampf machen. Lothar Späth hat das vor 20 Jahren in Baden-Württemberg bewiesen, als er den ungeliebten Bundeskanzler Kohl nicht einlud und grandios gewann. Aber Lafontaine in seiner ätzenden Schröderkritik und dem Liebäugeln mit einer Linkspartei war zu viel der innerparteilichen Opposition.

Und dann Peter Müller. Das Saarland ist kleiner als der Kreis Uckermark, und Ministerpräsident Müller ist so etwas wie ein beliebter Landrat, der regelmäßig bei allen größeren Vereinen vorbeischaut, kein Fest von Bedeutung auslässt, unprätentiös, aber auf sehr volksnahe Weise pfiffig und bauernschlau. Ein Mann, der, anders als Roland Koch, zumindest nicht erkennbar vom Kanzleramt träumt und anders als Edmund Stoiber sein Land nicht zur geheimen Schaltzentrale deutscher Politik machen will. Aber dennoch einer, der in der Bundespolitik mitmischt, auf den man in Berlin hört. So etwas mögen die Saarländer – wenn einer ganz bei ihnen geblieben und trotzdem oben angekommen ist. FDP und Grüne sind wieder im Parlament. Das liegt auch an der Wahlenthaltung von CDU-Wählern. Die wissen jetzt, dass auch ihre Partei Hartz IV mitträgt.

Oskar Lafontaine hat angedeutet, dass er jedes Wahlergebnis als Bestätigung empfände, das über dem Bundestrend liegt. Damit aber legte er die Messlatte so niedrig, dass sein Erfolg unausweichlich war. Denn der Bundestrend sieht die SPD im Moment bei 26 Prozent – so tief konnte sie an der Saar nun wirklich nicht fallen. Schlimmer als diese Selbstverliebtheit Lafontaines ist eine andere Nebenwirkung seiner Attacken auf die SPD-Reformpolitik: Sie ermutigen die Abwanderung zur rechtsextremen NPD. Wenn das einstige Idol der sozialdemokratischen Linken seine eigene Partei und deren Kanzler so massiv angreift, muss man die SPD ja wohl nicht mehr wählen – das ist die Botschaft, die gerade jüngere Wähler zu nationalen und sozialistischen Gruppierungen abwandern lässt.

Rechte Parteien treten auch bei den nächsten beiden Landtagswahlen an. Wenn in Potsdam und Dresden der braune Bodensatz Zulauf bekommt, wird die SPD nicht nur von Hartz IV und der CDU geschlagen, sondern auch vom eigenen Zwist. Ob der Gegner künftig Merkel oder Stoiber heißt, ist dann egal. Die SPD besiegt sich selbst allein.

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