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Parteichef Jimmie Akesson - hier nach den Wahlen im September 2014 - kann auch heute wieder triumphieren: Seine rechtspopulistischen Schwedendemokraten liegen in der Wählergunst bei stattlichen 19,5 Prozent.

© Anders Wiklund/pa/dpa/EPA

Schweden: Rechtspopulisten im Aufwind

Den regierenden Sozialdemokraten in Schweden laufen die Wähler weg. Die einwanderungskritischen Schwedendemokraten profitieren davon und kommen in Umfragen auf 19,5 Prozent.

Sind die Schwedendemokraten (SD) bald Schwedens größte Partei? Die einwanderungskritischen Rechtspopulisten, die bei den Parlamentswahlen vor reichlich einem Jahr 12,9 Prozent der Stimmen erhielten, legen stetig zu. Mit 19,5 Prozent der Befragten erzielte die Partei unter Jimmie Åkesson am Samstag die bisher höchsten Werte in einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Demoskop. In den vergangenen Wochen hatten mehrere andere Institute ebenfalls Rekordwerte für die SD vermeldet. Nur noch sechs bis neun Prozentpunkte trennen sie von den regierenden Sozialdemokraten, deren einstige Kernwähler zur Konkurrenz überlaufen: In der Arbeiterschaft sind die SD inzwischen die Nummer Eins. Unterdessen ist die Migrationspolitik zur wichtigsten Wählerfrage in Schweden aufgestiegen, noch vor Dauerbrennern wie Gesundheitswesen und Schulpolitik.

Ist der Vormarsch der Rechten noch zu stoppen – und wenn ja, wie? Angesichts aktueller Bilder der Flüchtlingskatastrophe erlebte Schweden in den letzten Tagen auch eine landesweite Woge der Hilfsbereitschaft. Unter dem Motto „Refugees welcome“ – Flüchtlinge willkommen – versammelten sich am Sonntag rund 15000 Menschen zu einer Kundgebung in Stockholm. Er sei „stolz auf Schweden“, so Ministerpräsident Stefan Löfven in seiner Rede vor den Versammelten. Schon 2013 hatte Schweden als erstes EU-Mitglied allen syrischen Flüchtlingen eine permanente Aufenthaltserlaubnis angeboten; 2014 nahm das Land im Verhältnis zur Einwohnerzahl EU-weit mit Abstand die meisten Asylbewerber auf. Doch die Lasten müssten in- und außerhalb Schwedens gerechter verteilt werden, betonte Löfven am Sonntag erneut. Seine rot-grüne Regierung erwägt jetzt, unwillige Kommunen zur Flüchtlingsaufnahme zu zwingen. Vor allem aber drängt Stockholm auf ein Quotensystem, das die Verteilung der Asylsuchenden in der EU regeln soll.

Bei der direkten Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten hält sich die sozialdemokratische Parteispitze bislang bedeckt. So sagte Migrationsminister Morgan Johansson vor einigen Tagen eine Fernsehdebatte mit einem führenden SD-Politiker ab. Grund sei wohl „politische Panik“ gewesen, fürchtete „Dagens Nyheter“-Kolumnist Johan Croneman: Fraglich sei, ob man „eine solche Debatte überhaupt gewinnen“ könne.

In der Tat bietet die migrationspolitische Bilanz zahlreiche Ansatzpunkte für Kritik. Der wohl schwerwiegendste ist das weitgehende Scheitern der Integration am Arbeitsmarkt. Mehr als sieben Jahre dauert es durchschnittlich von der Ankunft in Schweden bis zur Arbeitsaufnahme. Erschwerend wirkt dabei der akute Wohnungsmangel in den Großstädten; in Stockholm wartet man inzwischen durchschnittlich knapp zehn Jahre auf die Zuweisung einer Mietwohnung. Viele Migranten würden daher in der an Arbeitsplätzen armen Provinz „geparkt“, kritisierte unlängst der Staatliche Rechnungshof. Für Unruhe sorgt auch die eskalierende Kriminalität in den überwiegend von Migranten bewohnten Großstadtvororten. So hält Malmö mit rund 30 Handgranaten- und Sprengstoffanschlägen seit Jahresbeginn einen traurigen skandinavischen Rekord.

Unterdessen schreitet die religiöse Radikalisierung in den einschlägigen Milieus fort. Laut Angaben des Staatsschutzes vom Jahresbeginn haben sich bis zu 300 schwedische Staatsbürger im Ausland der Terrororganisation „Islamischer Staat“ angeschlossen. Gemessen an der Einwohnerzahl belegt Schweden damit europaweit einen der Spitzenplätze. Das Artikulieren von Ängsten angesichts dieser Entwicklungen galt in der öffentlichen Debatte der letzten Jahre nur begrenzt als opportun, was den Schwedendemokraten bei der Imagepflege als „einzige wahre Opposition“ entgegenkam.

Angesichts der Klagen überforderter Kommunen und der wachsenden Landnahme durch die Rechten hat das Gros der bürgerlichen Oppositionsparteien in den vergangenen Monaten restriktivere Asylregeln gefordert; so plädiert man für die Vergabe zeitbegrenzter Aufenthaltsgenehmigungen. Ministerpräsident Stefan Löfven will am Dienstag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über eine gemeinsame Strategie in der Flüchtlingsfrage beraten.

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