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Politik: Schweden will weg vom Öl

In Stockholms öffentlichem Nahverkehr ist Diesel bereits Geschichte. In der Innenstadt sind mehr als 350 Ethanolbusse unterwegs.

In Stockholms öffentlichem Nahverkehr ist Diesel bereits Geschichte. In der Innenstadt sind mehr als 350 Ethanolbusse unterwegs. Das skandinavische Königreich will das erste Land weltweit sein, das sich bis 2020 von der lästigen Erdölabhängigkeit fast ganz befreit hat. „Auch nach 2020 wird Schweden noch viel Erdöl brauchen. Aber unser Ziel ist es, die Abhängigkeit bis dahin stark zu reduzieren. Mit den Ölpreisen ist es ähnlich wie mit Bankkrediten. Man will nicht ständig Panik vor der zukünftigen Veränderung der Zinssätze haben. Deshalb ist es am besten, den Kredit so schnell wie möglich abzuzahlen“, sagt Physikprofessor und Regierungsberater Christian Azar dem Tagesspiegel.

Schon seit der Ölkrise in den 70er Jahren haben die Schweden ihren Verbrauch fossiler Brennstoffe stark zurückgefahren. Innerhalb von 30 Jahren konnte Erdöl als wichtigste Energiequelle mit 77 Prozent auf heute nur noch 34 Prozent herabgesetzt werden. Schweden eignet sich gut für eine Umstellung der Energieversorgung, weil es zum einen über große Waldbestände verfügt. Aus diesen können Biobrennstoffe gewonnen werden. Zudem wird ein Großteil des Strombedarfs aus Wasserkraftwerken gedeckt. 2005 steckten die Schweden 63 Millionen Euro in den Ausbau von 48 schwedischen Windkraftwerken und rund 653 Millionen Euro in die Effektvisierung von Wasserkraftanlagen. Zum Jahresende gab es im neun Millionen Einwohner zählenden Land rund 32 000 Fahrzeuge, die mit alternativen Energieformen angetrieben werden, davon 21 415 mit Ethanol. Um den schwedischen Autofahrern den Umstieg schmackhaft zu machen, lockt der Staat mit Steuervergünstigungen, besonderen Parkberechtigungen und der Befreiung von Straßengebühren. Obwohl Ethanol auf dem Weltmarkt deutlich teuer ist als Benzin, ist der alternative Brennstoff preiswerter, weil man ganz auf eine Treibstoffsteuer verzichtet hat.

Auch die Elektrizitäts- und Wärmeenergieversorgung soll umgestellt werden. Bereits heute wird Wärme oft durch dezentrale Kleinkraftwerke produziert, durch Verbrennung von Holz und Abfällen. Bis 2020 soll der Energieverbrauch in den Haushalten um 20 Prozent reduziert werden – durch Umbauten und effektivere Energieversorgungstechnik. Bis 2050 will man den Energieverbrauch sogar um die Hälfte verringert haben. Experten zweifeln allerdings: Bei der Wärmeversorgung sei die Umstellung denkbar, aber innerhalb der Industrie und auch des Transportbereichs seien die Zielsetzungen selbst bei enormen Forschungsfortschritten nicht zu realisieren, so ihr Votum.

André Anwar[Stockholm]

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