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Politik: Schwedisches Comeback

Erstmals führt mit Sahlin eine Frau die Sozialdemokraten – zurück an die Macht?

„Toblerone-Mona“ hat man sie genannt, auch „Steh-auf-Mona“. Sie hat jedwede Häme überlebt, hat sich nach tiefen Stürzen wieder aufgerappelt und steht seit dem Sonderparteitag der schwedischen Sozialdemokraten am Samstag ganz, ganz oben: Mit Mona Sahlin bekommt Schwedens einflussreichste Partei erstmals in ihrer über hundertjährigen Geschichte eine Frau als Parteichefin.

Auf sie warten schwere Aufgaben. Die gerade vor einer guten Woche 50 gewordene Vollblutpolitikerin soll die Partei zurück an die Macht führen. Die Wahl ist ein staatstragendes Ereignis in Schweden, die größte Tageszeitung des Landes „Dagens Nyheter“ brachte dazu eine ganze Serie. Kein Wunder, hat doch gerade diese Partei das Land über mehr als 70 Jahre geprägt, hat das „Volksheim“ maßgeblich aufgebaut, das für jeden seiner Bürgerinnen und Bürger von der Wiege bis zur Bahre sorgt. Von zwei kurzen Unterbrechungen abgesehen, regierten die Sozialdemokraten über 70 Jahre lang. Bis zum September 2006, als Premier und Parteivorsitzender Göran Persson den Preis für seine Verbohrtheit zahlen musste: keine Koalitionsaussage, obwohl klar war, dass die Sozialdemokraten keine Mehrheit erlangen würden, keine Veränderung der rostig gewordenen Strukturen. Die in Schweden häufig als „Beton-Sozis“ beschimpfte Partei präsentierte sich als schwerfälliges Monstrum, das den Draht zum Wähler verloren hatte.

Als im Wahlkampf die bürgerlichen Allianzparteien das Thema Arbeitslosigkeit auf die Agenda brachten, wähnten sich Persson und seine Sozialdemokraten auf der sicheren Seite: Sie müssen sich nicht mit solch lächerlichen Vorwürfen abgeben, man habe den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht ernst genommen. Ein fataler Irrtum, denn das Thema traf genau den Nerv der Wähler. Die Sozialdemokraten verloren die Wahlen, auch weil sie nicht mehr die gleiche Sprache sprachen wie ihre Wähler. Mit Mona, wie die seit 1982 im Parlament sitzende Sahlin von ihren Anhängern liebevoll genannt wird, soll sich das jetzt radikal ändern.

Sie war zwar nicht die erste Wahl – das wäre EU-Kommissarin Margot Wallström gewesen, die dankend ablehnte –, doch der Stockholmerin wird zugetraut, dass sie die Partei modernisieren kann. Sahlin ist keine Meisterin der großen Worte, aber sie kann etwas, das vielen Berufspolitikern abgeht: Sie schaut dem Volk aufs Maul, spricht deren Sprache. Dafür darf sie auch schon einmal solche Dummheiten wie „Ich liebe es, Steuern zu zahlen“ sagen. Man verzeiht ihr das.

Verziehen ist auch die Toblerone-Affäre, die ihre Politkarriere vor zwölf Jahren jäh beendete. Tage, bevor sie 1995 schon einmal zur Parteivorsitzenden gewählt werden sollte, wurden ihr Privateinkäufe von Toblerone und Babywindeln mit ihrer Abgeordneten-Kreditkarte zum Verhängnis. Heute erinnert man sich lieber daran, dass Sahlin mit 33 Jahren Schwedens jüngste Ministerin wurde, dass sie schon unter Persson stellvertretende Regierungschefin, später Wirtschafts-, Integrations-, Arbeitsmarktministerin und Parteisekretärin war.

Harald Steuer[Stockholm]

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