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Schweinegrippe-Impfung: Die Entscheidung fällt in der Praxis

Die Schweinegrippe breitet sich weltweit aus - allein in Deutschland sollen im Herbst 25 Millionen Menschen geimpft werden. Wie ist solch eine große logistische Aufgabe zu bewältigen?

Über fehlende Arbeit können sich die Gesundheitsämter schon jetzt nicht beklagen. Die Palette reicht von der Einschulungsuntersuchung über Kopflauskontrolle und Mütterberatung bis hin zur aufwändigen Trinkwasserüberwachung. Die Aufgaben wurden mehr, gleichzeitig wurden Stellen gekürzt. „Der öffentliche Gesundheitsdienst blutet aus“, klagte in der Vergangenheit nicht nur der Bundesverband der darin beschäftigten Ärzte.

Dabei kommt jetzt erst die ganz große Herausforderung. Sie heißt Schweinegrippe und sie bedeutet, die Vorstellungen der Regierung zugrunde gelegt: Rund 25 Millionen Menschen müssen geimpft werden – am besten, wenn denn der Impfstoff endlich da ist, alle auf einmal oder in nur sehr kurzem zeitlichem Abstand.

Wie das logistisch gehen soll, weiß noch keiner so richtig. Klar ist nur: Infektionsschutz ist Sache der Länder, die Lösungen können unterschiedlich sein. Vom Grundsatz her aber weiß jedes autarke Gesundheitsministerium, dass die Riesenzahl der möglicherweise Impfwilligen allein mit seinen Amtsärzten nicht zu bewältigen ist. Selbst wenn man, wie bereits erwogen, dafür noch Ärzte im Ruhestand heranzieht. Schließlich geht es nicht nur um den Mediziner, der die Spritze setzt, sondern auch um Zusatzpersonal, Gerätschaften, Wartezimmer, Parkplätze. „Wir tun uns und den Betroffenen keinen Gefallen“, mahnt der Vizepräsident der Ärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, „wenn wir lange Schlangen vor den Gesundheitsämtern produzieren.“ Außerdem sei stark zu bezweifeln, dass etwa chronisch Kranke, die man mit dem Impfangebot bevorzugt erreichen müsse, zu einem Amt kommen. „Wir brauchen die Option, dass diese Menschen dort geimpft werden, wo sie sowieso hingehen: bei ihrem behandelnden Arzt.“

Die 140.000 niedergelassenen Mediziner müssten bei der Impfung mit ins Boot, fordert Montgomery, „wir müssen zweigleisig fahren“. Laut Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung erwägt Nordrhein-Westfalen bereits solch ein „Mischmodell“. Schwangere, Herzkranke und Diabetiker könnten die Spritze von ihrem Haus- oder Facharzt erhalten, für Polizei oder Feuerwehr wären die Gesundheitsämter zuständig. „Hauptkriterium muss sein: Wie ist es am praktikabelsten?“ zitiert das Blatt die Thüringer Gesundheitsministerin und derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Christine Lieberknecht (CDU).

Bleibt das Kostenproblem. Wenn niedergelassene Ärzte impfen, ist das teurer – wegen des Medizinerhonorars, aber auch wegen der dann zwischengeschalteten Apotheken. Ämter bekämen den Impfstoff direkt vom Hersteller. Die von der Regierung veranschlagten Gesamtkosten von rund 650 Millionen Euro seien nur realistisch, wenn die Impfung Sache der Gesundheitsämter bleibe, heißt es im „Spiegel“. Ansonsten komme man auf mehr als eine Milliarde Euro.

Den Ärztekammer-Vize ärgern solche „kleinkarierten Rechnereien“. Wenn man eine gefährliche Pandemie befürchte, dürften solche Kostenunterschiede keine Rolle spielen, sagt Montgomery. Dann gehe es zuvorderst nämlich um ganz anderes: das schnelle Erreichen möglichst vieler Menschen. Und wenn es sich nur um eine gewöhnliche Grippeimpfung handle, müssten ohnehin die Haus- und Betriebsärzte ran. Nötig sei nur eine „vernünftige Kostenteilung“ zwischen Bund, Ländern und Krankenkassen, sagt Montgomery.

Wie viele Menschen die angebotene Impfung tatsächlich annehmen, ist völlig ungewiss. Wegen des eher harmlosen Verlaufs ist eine Impfpflicht bisher nicht vorgesehen. Die Deutschen seien „kein impffreundliches Volk“, sagt Montgomery. Mit der gewöhnlichen Grippeimpfung erreiche man erfahrungsgemäß nur die Hälfte derer, die man erreichen wolle. Anbieten müsse man die Impfung dennoch jedem Bürger. Wobei es, was die Reihenfolge betrifft, auch noch Probleme geben könne. Bislang sei zu erwarten, dass der Impfstoff nur in 1,5 bis zwei Millionen Dosen pro Woche lieferbar sei.

Alles in allem sei es „ein Riesenglück, dass sich die Schweinegrippe als längst nicht so mörderisch erwiesen hat wie befürchtet“, sagt der Ärztefunktionär. Insofern sei die Massenimpfung nun ein „idealer Testfall“: Alle Beteiligten könnten „üben, wie man eine solche Herausforderung am besten auf die Reihe bekommt“.

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