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Schweinegrippe: Wie groß ist das Risiko?

Das Schweinegrippe-Virus H1N1 breitet sich immer weiter aus, zunehmend auch in den beliebten Urlaubsregionen. Wie groß ist das Risiko?

In Spaniens Urlaubsregionen steigt das Risiko, sich mit der Schweinegrippe zu infizieren. Dutzende ausländische Touristen, vor allem aus Deutschland, haben sich dort mit dem Virus H1N1 angesteckt – so auch die beiden jüngsten Fälle aus Berlin. Die Senatsverwaltung für Gesundheit bestätigte, dass sich zwei junge Frauen in Spanien mit dem Schweinegrippe-Virus infiziert hätten. Die 18-Jährige und die 20-Jährige hatten unabhängig voneinander in Lloret de Mar Urlaub gemacht. Die Erkrankung verlaufe in beiden Fällen mild, hieß es. Die Zahl der bestätigten Fälle in Berlin erhöht sich damit auf 30. In Lloret de Mar hatten sich vorher bereits zahlreiche andere Deutsche infiziert.

Steigt die Ansteckungsgefahr auf Reisen?

„Zur Zeit ist Deutschland von der Schweinegrippe weniger betroffen als viele andere europäische Länder wie etwa Spanien oder Großbritannien“, sagt Frank Bergmann, Oberarzt in der Infektiologie der Charité in Berlin. Deswegen sei die Gefahr, sich im Urlaub anzustecken, in vielen Ländern grundsätzlich höher. Hinzu kommt, dass beim Reisen in Bussen, Bahnen und Flugzeugen die Gefahr einer Ansteckung steigt. Denn dort verbringen Menschen lange Zeit auf engem Raum. Teilweise wird die Verbreitung von Viren auch durch Klimaanlagen beschleunigt. Trockene Luft kann außerdem die Schleimhäute anfälliger machen für eine Infektion. Die Urlaubserkrankungen machen sich auch in Berlin bemerkbar. „Eigentlich führen Sommerferien eher zu einem Abflauen von Epidemien, weil die Schulen als Motor der Ausbreitung wegfallen“, sagt Bergmann. „Jetzt erleben wir aber, dass die Leute aus dem Urlaub zurückkommen und sich da angesteckt haben.“ Alleine am Dienstagvormittag habe er zahlreiche solche Fälle gehabt.

Welche Regeln sollte man beachten?

Einige grundsätzliche Verhaltensregeln können die Gefahr einer Ansteckung vermindern. „Vor allem: Abstand halten von hustenden Personen und in den Ärmel husten nicht die Hand“, sagt Bergmann. Sind Viren erst einmal an den Händen, gelangen sie leicht über die Schleimhäute von Augen, Nase oder Mund in den Körper. Deshalb sollten die Hände häufig gewaschen und möglichst vom Gesicht ferngehalten werden. Sind Menschen bereits erkrankt, sollte man getrennt von ihnen essen und schlafen, empfiehlt Bergmann.

Wie weit ist der Impfstoff?

Nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Ausbreitung der Schweinegrippe nicht zu stoppen. Deshalb hat die WHO Pharmafirmen angewiesen, noch intensiver an einem Impfstoff gegen das Virus zu arbeiten. Tatsächlich haben die meisten Firmen bereits mit der Produktion angefangen. Die WHO hat ihnen „Saatviren“ zur Verfügung gestellt. Das sind Viren, die alle äußeren Merkmale des H1N1-Stammes haben, aber so verändert wurden, dass sie besonders schnell wachsen. Damit sollen möglichst rasch große Mengen Virus hergestellt werden, die dann getötet, gereinigt und zur Impfung verwendet werden können. In Europa sind zur Zeit vier Musterimpfstoffe der Firmen Novartis, Baxter und GlaxoSmithKline zugelassen. Diese Impfstoffe sind gegen das Vogelgrippevirus H5N1 gerichtet und dafür auch klinisch getestet worden. Sie benötigen nur noch eine Komponente des neuen H1N1-Virus, um auch gegen die Schweinegrippe eingesetzt werden zu können. Die Viren würden sich aber nicht so gut vermehren, wie das bei dem jährlich hergestellten saisonalen Grippeimpfstoff der Fall sei, sagt Susanne Stöcker vom Paul-Ehrlich-Institut. „Die Produktionszeit des Impfstoffes könnte sich deswegen verlängern, weil es einfach länger dauert, bis genügend Virus produziert ist.“ Auch Anke Helten vom Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline bestätigt, dass die Viren nicht ganz so gut wachsen. In Dresden sei aber bereits Anfang Juni mit der Vermehrung begonnen worden. Laut Helten ist im September oder Oktober mit den ersten Chargen des Impfstoffes zu rechnen.

Wie soll in Deutschland geimpft werden?

In einer Telefonkonferenz am Dienstag haben Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und die Gesundheitsminister der Länder entschieden, 50 Millionen Impfdosen für Deutschland zu bestellen. Damit können 25 Millionen Menschen geimpft werden, denn für einen wirksamen Schutz sind nach Expertenmeinung zwei Impfungen nötig. Eine Impfung aller Deutschen scheint vorerst vom Tisch.

Reicht der bestellte Impfstoff?

Grundsätzlich hat Deutschland Verträge, die auch eine Vollversorgung, also die Lieferung von 160 Millionen Impfstoff- Dosen vorsehen. Diese Option soll auch weiterhin offen gehalten werden. Eine Pflichtimpfung aller Einwohner sei aber mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, hieß es im thüringischen Gesundheitsministerium, das zur Zeit den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz innehat.

„Man muss auch sehen, dass der Impfstoff weltweit auf keinen Fall ausreicht“, sagt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut. Das bedeutet: Wenn Länder wie Deutschland alle Einwohner impfen, bleibt für andere Länder weniger Impfstoff. Gerade in ärmeren Ländern, wo viele Menschen chronisch krank sind, ist aber mit mehr Todesopfern zu rechnen. Deswegen wollen die Gesundheitsminister Impfdosen, die in Deutschland nicht benötigt werden, anderen Ländern zur Verfügung stellen.

Welche Erfahrungen gibt es mit Massenimpfungen?

Als mahnendes Beispiel wird häufig an die USA erinnert. Dort war 1976 nach vereinzelten Schweinegrippefällen eine nationale Impfkampagne beschlossen worden, „um jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in den Vereinigten Staaten impfen zu lassen“, wie Präsident Ford damals im Fernsehen verkündete.

Nachdem aber hunderte geimpfte Menschen an der entzündlichen Nervenkrankheit Guillain-Barré-Syndrom erkrankten, die mit Lähmungserscheinungen einhergeht, wurde die Aktion gestoppt. Bis heute ist nicht klar, ob die Erkrankung auf die Impfung zurückgeführt werden kann. Manche Forscher halten das für Zufall. Es sei völlig normal, sagen sie, dass bei einer so großen Anzahl geimpfter Menschen einige rein zufällig erkranken. Andere Forscher nehmen an, dass der Impfstoff bakteriell verunreinigt war.

„Die Impfstoffe, um die es jetzt geht, haben alle eine normale klinische Prüfung durchgemacht“, sagt Stöcker vom Paul-Ehrlich–Institut. Mit so gravierenden Nebenwirkungen sei daher nicht zu rechnen. Das ist auch die Position der WHO. Sie glaube nicht, dass es wieder solche Nebenwirkungen geben werde, sagte Marie-Paul Kieny, WHO-Direktorin für Impfstoffe. „Natürlich kann man das aber erst dann mit letzter Sicherheit sagen, wenn eine riesige Zahl von Menschen geimpft worden ist.“ Das Entscheidende sei deshalb, geimpfte Menschen genau zu beobachten, damit im Ernstfall schnell gehandelt werden könne.

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