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Schweiz: Blocher-Partei steht vor der Spaltung

Die Schweiz galt immer als Musterbeispiel für politische Stabilität. Nun kommt das politische System ins Wanken, denn die Schweizer Volkspartei (SVP) befindet sich in einer schweren Krise und Christoph Blocher auf einem Rachefeldzug. Das Gegenlager bereitet schon die Gründung einer neuen Partei vor.

Mehr als sieben Monate nach der letzten Schweizer Wahl steht die damals siegreiche nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) vor der Spaltung. Nachdem sie am vergangenen Sonntag mit drei Initiativen bei einer Volksabstimmung gescheitert ist, droht der Partei des Populisten Christoph Blocher nun das politische Abseits. Vertreter mehrerer regionaler Verbände der SVP wollen sich von der Mutterpartei trennen und eine eigene, vermutlich liberalere Partei gründen. Dazu gehört zur allgemeinen Überraschung auch Verteidigungsminister Samuel Schmid aus Bern. Damit spitzt sich ein Politkrimi zu, wie ihn die Schweiz nach Ansicht von Kommentatoren kaum je erlebt hat.

Blocher werden Grenzen aufgezeigt

Das Schweizer Regierungssystem mit seiner direkten Demokratie ist kompliziert. Es beruht auf Konsens und Kompromiss. Dies immer wieder in Frage gestellt zu haben, wird Blocher seit langem vorgeworfen. Das führte dazu, dass ihn eine Mehrheit des Parlaments trotz eines hohen Wahlsieges der SVP im Dezember nicht als Justizminister wieder wählte. Seitdem sinnt Blocher auf Rache. "Die Schweizerische Volkspartei steht vor der größten Herausforderung seit ihrer Gründung", meint etwa die "Berner Zeitung".

Denn Blocher war neben seiner Abwahl aus dem Ministeramt eine weitere Schmach zugefügt worden: Er wurde nicht in den siebenköpfigen Bundesrat gewählt, obwohl seine Partei laut einer seit 1959 bestehenden Regelung mit zwei Ministern in der Schweizer Regierung verteten ist. Die Ministerposten bekamen stattdessen Verteidigungsminister Schmid, der wegen seiner Eigensinnigkeit nicht sonderlich geschätzt wird, und Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Eine Koalition aus Grünen und Sozialdemokraten (SP) hatte die Frau aus Graubünden aus dem Hut gezaubert und gegen den Willen Blochers durchgesetzt.

Graubündener Verband aus Bundespartei ausgeschlossen

Seitdem sinnen Blocher und seine SVP nur noch auf Rache, stellen Kommentatoren fest. Der Zorn wuchs, als die als liberal geltende Widmer-Schlumpf nicht, wie von Blocher und der SVP gefordert, Ende April ihr Amt niederlegte. Sie wurde danach samt dem Graubündener Verband aus der Bundes-SVP ausgeschlossen - ein in der Schweizer Parteiengeschichte einmaliger Vorgang.

Deshalb wollen die wütenden Graubündener SVP-Mitglieder nun eine eigene Partei gründen, und aus eben diesem Zorn fordern neben Samuel Schmid auch 35 weitere SVP-Mitglieder aus Bern den Austritt aus der SVP Schweiz. Die Gruppe könnte eine neue schweizerische Partei zusammen mit Gleichgesinnten aus anderen Kantonen bilden. Ziel wäre es dann, im Parlament Fraktionsstärke zu erreichen. In Graubünden entscheidet ein SVP-Parteitag Mitte Juni über die Bildung einer neuen Partei.

Eine solche neue politische Gruppierung, entstanden aus einer Abspaltung von der SVP Schweiz, hätte nach Ansicht des Politologen Andreas Ladner gute Startchancen. Die Erfolgsgeschichte der SVP erleidet seiner Ansicht nach mit der Spaltung einen herben Dämpfer. Die dreifache Niederlage bei der Volksabstimmung am vergangenen Sonntag, bei der unter anderem eine Verschärfung der Einbürgerung von Ausländern scheiterte, sei ein weiteres Indiz dafür, dass die Erfolgswelle der SVP vorerst gebrochen sein, sagte Ladner der Schweizer Nachrichtenagentur SDA. Noch sei Blocher stark, schreiben andere. Aber neue Generationen von Wählern könnten dies anders sehen. "Die SVP muss nun auf nichts und niemanden mehr Rücksicht nehmen. Die Politik der nächsten Jahre wird noch rauer," sagte die "Berner Zeitung" voraus.

Heinz-Peter Dietrich[dpa]

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