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Politik: Schwere Gefechte im Nordirak

PKK leistet türkischen Truppen erbitterten Widerstand – und hofft auf Unterstützung aus der Bevölkerung

„Frieden dem Land – Frieden der Welt.“ Der Wahlspruch des türkischen Staatsgründers Atatürk, der in großen Lettern das Tor einer Militäranlage in der südostanatolischen Grenzprovinz Sirnak ziert, steht in einem merkwürdigen Gegensatz zur Lage drei Tage nach Beginn der türkischen Militärintervention im Nordirak: Weder innerhalb noch außerhalb der türkischen Grenzen herrscht derzeit Frieden. Auf jeder Anhöhe an der wichtigsten Überlandstraße in Sirnak befindet sich ein mit Sandsäcken gesichertes Maschinengewehrnest, in vielen Dörfern sichern Soldaten Kontrollposten mit Barrikaden aus Stacheldraht. Und wenige Kilometer weiter toben seit Donnerstag auf irakischem Gebiet schwere Gefechte. Fast 130 Tote hat es bereits gegeben.

Sirnak ist Aufmarschgebiet für die türkische Offensive im Nordirak. Von hier aus sind türkische Spezialeinheiten am Donnerstagabend ins Nachbarland eingedrungen, um die Kurdenrebellen von der PKK zu jagen. Kampfhubschrauber und Kampfjets unterstützen den Vormarsch von Stützpunkten in Sirnak und anderen Provinzen aus. Hin und wieder sind Militärkonvois zu sehen, die Nachschub ins Kampfgebiet transportieren. Die PKK hat Rache für den Angriff geschworen – und vielleicht schon damit begonnen: In Hakkari, einer Nachbarprovinz von Sirnak, wurde am Sonntag ein türkischer Oberleutnant von Unbekannten getötet.

Auf den Feldern von Sirnak geht indes der Alltag weiter. An den Straßenrändern treiben arme Hirten ihre Schafe und Ziegen zum Markt. Die Menschen hier haben in den vergangenen Jahrzehnten schon viele türkische Angriffe im Nachbarland miterlebt. Mehr als ein Dutzend Mal hat die türkische Armee bereits versucht, mit Interventionen im Irak die PKK zu vernichten; teilweise wurden 50 000 Soldaten dafür aufgeboten. Genützt hat es nichts. Die PKK konnte sich jedes Mal erholen und neu formieren.

Auch diesmal sieht es nicht so aus, als würden die Rebellen die Waffen strecken. Die PKK will im Nordirak einen türkischen Kampfhubschrauber abgeschossen haben. Die türkische Armee räumte den Verlust eines Hubschraubers ein, erklärte aber, der Grund für den Absturz sei noch unklar. Die Waffen und die Fähigkeit für einen Abschuss haben die Rebellen zweifellos – erst am Samstag hatte die türkische Armee erklärt, ihre Soldaten hätten in PKK-Verstecken im Nordirak mehrere Luftwabwehrbatterien gefunden.

Das Zentrum der Kämpfe liegt südlich von Sirnak und dem weiter östlich gelegenen Hakkari. Türkische Medien und das PKK-Oberkommando sprechen übereinstimmend von Gefechten in der Nähe des irakischen Ortes Zap. Ein PKK-Lager in Hakurk, etwa zehn Kilometer südlich der türkischen Grenze, soll von der türkischen Luftwaffe bombardiert worden sein. Laut Armee starben seit Donnerstag 15 Soldaten und 112 PKK-Kämpfer. Nach Angaben des PKK-Hauptquartiers wurden 41 türkische Soldaten getötet.

Der starke Widerstand der PKK könnte die türkische Militäraktion im Irak verlängern. Deshalb droht nun, was von allen Beteiligten nur die PKK will, die sich Solidarität und Unterstützung aus der kurdischen Bevölkerung verspricht: Aus der befristeten Intervention könnte ein neuer Dauerkonflikt werden, in den auch die nordirakischen Kurden und der Iran hineingezogen werden könnten. Schon berichten türkische Medien, ein Teil der PKK-Kämpfer sei über die Grenze nach Iran geflohen.

Die Iraner wollen zusätzliche Truppen an die Grenze zum Irak verlegen. Die irakische Regierung rief die Türkei auf, ihre Truppen umgehend zurückzuziehen. Der türkische Militäreinsatz sei „eine Bedrohung für die Stabilität“ des Irak, erklärte die Regierung in Bagdad. Auch die USA drüngen den Nato-Partner Türkei, die Aktion bald abzuschließen. US-Verteidigungsminister Robert Gates unterstrich, die Türkei solle sich so schnell wie möglich zurückziehen. Neben militärischen Mitteln seien auch politische Initiativen zur Lösung des Kurdenproblems notwendig. Der US-Verteidigungsminister wird an diesem Mittwoch zu einem bereits seit längerem geplanten Besuch in Ankara erwartet.

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