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Außenminister Steinmeier betrachtet die Lage in der Ukraine mit Sorge.

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Update

Schwere Gefechte in der Ostukraine: Steinmeier: Russland hat die Lage nicht unter Kontrolle

Bei schweren Gefechten in der Ostukraine sind mehrere Regierungssoldaten sowie Separatisten getötet worden. Russland ist nach Ansicht von Außenminister Steinmeier nicht Herr der Lage. Die aktuellen Nachrichten zur Ukraine-Krise im Blog.

+++ Steinmeier: Die Lage in der Ostukraine ist nicht unter Kontrolle +++

Russland hat den Aufstand im Osten der Ukraine nach Einschätzung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nicht völlig unter Kontrolle. “Ich bin ganz fest der Auffassung: Wir haben hier mit erheblichen Eigendynamiken zu kämpfen“, sagte Steinmeier am Montagabend im ZDF. “Es gibt Gruppierungen im Osten der Ukraine, die weder auf Kiew hören und die dortige Regierung noch auf Moskau und die dortige politische Führung.“ Die russische Führung werde damit zum Gefangenen der Stimmung, die sie selbst hervorgerufen habe. “Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass nicht alle der dort agierenden Gruppen auf die Töne und auch auf Anordnungen aus Moskau hören“, erklärte Steinmeier.

Die Übergangsregierung in Kiew wirft der russischen Führung vor, hinter den Unruhen im Osten des Landes zu stehen. Russland hat dies zurückgewiesen und hat von einem Putsch in dem Nachbarland gesprochen.
Steinmeier warf der russischen Führung vor, unlogisch zu argumentieren. Moskau könne nicht einerseits die ukrainische Regierung als illegitim kritisieren und andererseits versuchen, die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl zu verhindern. “Unser Argument gegenüber unseren russischen Gesprächspartnern ist: Wenn euer Vorwurf ist, die gegenwärtige Regierung sei illegitim, dann müsst ihr auch Wahlen zulassen, die einen Schritt in mehr Legitimität bedeuten“, betonte der Minister. Steinmeier distanzierte sich zudem von Aussagen des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor Jahren als lupenreinen Demokraten bezeichnete. Auf die Bitte der ZDF-Journalisten zur Ergänzung des Halbsatzes “Wer Putin immer noch einen lupenreinen Demokraten nennt...“ antwortete Steinmeier: “...
der hatte wahrscheinlich auch vor vielen Jahren, als ein Kollege von Ihnen diese Frage gestellt hat, schon nicht recht“. Der SPD-Politiker Steinmeier war unter Schröder Chef des Bundeskanzleramts.

+++ Separatisten schießen erneute Kampfhubschrauber ab +++

Nahe der umkämpften ostukrainischen Stadt Slawjansk haben prorussische Kräfte erneut einen Kampfhubschrauber der Regierungstruppen abgeschossen. Die Besatzung des Mi-24 habe den Absturz in einen Fluss überlebt und sei von einem Spezialkommando in Sicherheit gebracht worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Montag mit. Die Separatisten hätten mit großkalibrigen Waffen auf die Maschine gefeuert. Bereits am Freitag waren zwei Mi-24 abgeschossen worden. Zudem war ein Helikopter vom Typ Mi-8 stark beschädigt worden. Die Offensive gegen die moskautreuen Kräfte bei Slawjansk läuft seit Tagen.

Ein prorussischer Separatist vor einem besetzten Gebäude der Regionalregierung in Donetsk.
Ein prorussischer Separatist vor einem besetzten Gebäude der Regionalregierung in Donetsk.

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+++ Gauck verteidigt deutsche Position bei Wirtschaftssanktionen +++

Bundespräsident Joachim Gauck hat seinen Staatsbesuch in Tschechien zu einem Appell für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Konflikt genutzt. Nach einem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Milos Zeman sagte Gauck am Montag in Prag: „Es ist für uns in Europa nicht hinnehmbar, dass mit Drohungen Politik gemacht wird.“ Zeman unterstützte die deutsche Position und dankte für die Bemühungen zur Freilassung der festgesetzten OSZE-Beobachter, unter denen auch ein Tscheche war.

Gauck sagte, alle Beteiligten seien aufgerufen, Ruhe zu bewahren und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. „Wir wünschen uns eine aktive Politik, die auf Entspannung setzt anstatt auf Zuspitzung“, sagte er. Explizit an Russland wandte sich Gauck mit der Aufforderung, innerhalb der OSZE produktiv zusammenzuarbeiten. „Es gibt die OSZE, und sie ist imstande, Mechanismen und Strategien zu entwickeln, die für eine geeinte Ukraine ganz wichtig sind.“ Die deutsche Politik suche „mit großem Ernst und letzter Verantwortlichkeit“ nach Wegen, die das nationale Interesse der Ukraine schützten und gleichzeitig Verhandlungsmöglichkeiten offen hielten, sagte Gauck. In Europa gebe es unterschiedliche Positionen zu Sanktionen.

„Die deutsche Bundesregierung ist hier in einer sehr heiklen Situation“, sagte Gauck. Einerseits werfe man ihr zu große Nachgiebigkeit wegen ihrer Wirtschaftsverbindungen zu Russland vor, andererseits gebe es das Argument, dass die Verhängung von Sanktionen eine Verhandlungslösung gefährde. Zeman begrüßte die „zurückhaltende Position“ Deutschlands in dem Konflikt. Wirtschaftssanktionen hätten noch nie geholfen.

+++ Auf dem Maidan in Kiew werden wieder Barrikaden errichtet +++

Nach Warnungen vor Provokationen haben die Demonstranten auf dem Maidan in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ihre seit November gehaltenen Stellungen verstärkt. Interimspräsident Alexander Turtschinow rief zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber prorussischen Kräften auf: „Ihr Ziel ist, die Führung in Kiew zu stürzen.“ Daher seien vor dem Feiertag zum Gedenken an den Sieg im Zweiten Weltkrieg über Nazi-Deutschland strenge Kontrollen angeordnet und weitere Barrikaden errichtet worden.

„Wir erwarten, dass es am 9. Mai zu Provokationen kommen könnte“, sagte Turtschinow dem Fernsehsender 5. Kanal. „Gegen uns wird Krieg geführt. Und wir müssen bereit sein, diese Aggression niederzuschlagen“, betonte der Politiker.

Seit Monaten harren Hunderte in Zeltlagern auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) aus. Die Präsidentenkandidatin und Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko hatte dazu aufgerufen, den Platz bis zum endgültigen Sieg der „Revolution“ zu besetzen und damit mindestens bis zur Präsidentenwahl am 25. Mai. Der symbolisch bedeutungsvolle Ort war das Zentrum der Proteste gegen den nun gestürzten Staatschef Viktor Janukowitsch. Bei schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei waren an mehreren Tagen Mitte Februar mindestens 100 Menschen getötet worden.

Ban Ki Moon bietet Vermittlung an

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat angeboten, zwischen den Konfliktparteien in der Ukraine zu vermitteln. Zugleich rief er am Montag alle Seiten auf, die schwere Krise „mit friedlichen Mitteln“ beizulegen, wie es in einer Erklärung Bans an die Nachrichtenagentur AFP in Abu Dhabi heißt. Er sei bereit, dabei „meine eigene Rolle zu spielen, wenn das notwendig ist“.

+++ Ukrainische Regierung kommt zu Beratungen nach Brüssel +++

Die ukrainische Übergangsregierung reist in der kommenden Woche zu Beratungen mit der EU-Kommission nach Brüssel. Die ukrainische Delegation wird bei dem Treffen am 13. Mai von dem amtierenden Regierungschef Arseni Jazenjuk geleitet, wie die EU-Kommission mitteilte. Dabei solle es um Hilfen der EU für die Ukraine gehen, um das Land politisch und wirtschaftlich zu reformieren. Die EU unterstützt die Ukraine im Konflikt mit Russland und hat einen milliardenschwerden Hilfsplan aufgelegt, um dem wirtschaftlich angeschlagenen Land zu helfen.

+++ Deutschland schickt vorerst keine Militärbeobachter mehr +++

Bis zu den für den 25. Mai geplanten Präsidentschaftswahlen in der Ukraine will die Bundesregierung vorerst keine deutschen Militärbeobachter mehr im Rahmen einer OSZE-Mission in das Land schicken. Dies ergebe sich aus den weiteren Planungen für die bereits seit März stattfindenden internationalen Einsätze, sagte der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, am Montag in Berlin. Derzeit halten sich demnach kanadische OSZE-Militärbeobachter in der Ukraine auf.

Flosdorff wies darauf hin, dass die am Samstag freigelassene Gruppe von Militärbeobachtern Ende April offensichtlich nicht von den prorussischen Separatisten festgesetzt worden sei, die sie dann als Geiseln hielten. Vielmehr gebe es Indizien und Augenzeugenberichte, wonach andere, „hochprofessionelle Kräfte“ die OSZE-Beobachter auf einem Rastplatz nahe des ostukrainischen Slawjansk festgesetzt und erst danach an die prorussische sogenannte Bürgermiliz der Stadt übergeben hätten.

Dies sei „sicher kein Zufallsereignis“ gewesen, sagte Flosdorff weiter. Anzeichen für ein Fehlverhalten der Beobachter gebe es nicht. Auch hätten diese nicht vorgehabt, in das zu dieser Zeit von den Separatisten kontrollierte Slawjansk hineinzufahren. Hinweise darauf, wer die Soldaten gefangennahm, hat die Bundesregierung demnach nicht - nur darauf, „dass es andere waren, als die, die hinterher die Beobachter gefangengesetzt haben“.

Prorussische Aktivisten im Osten der Ukraine.
Prorussische Aktivisten im Osten der Ukraine.

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+++ Aktivisten in Slawjansk sprechen von 20 Toten +++

Bei Gefechten in der ostukrainischen Stadt Slawjansk sind nach Aussage von prorussischen Separatisten etwa 20 Aktivisten getötet worden. „Wir konnten unter großen Anstrengungen ein Eindringen des Gegners in die Stadt verhindern. In unseren Reihen gibt es viele Tote“, zitierte die Agentur Interfax am Montag einen Sprecher der selbst ernannten Volksmiliz. Zuvor war von etwa 15 verletzten Kämpfern die Rede gewesen. Auch auf Seite der Regierungstruppen gab es Tote, wie Innenminister Arsen Awakow sagte.

+++ Mehrere ukrainische Soldaten getötet +++

Beim Vorrücken gegen prorussische Aktivisten in der ostukrainischen Stadt Slawjansk haben Regierungseinheiten nach Angaben des Innenministeriums in Kiew Verluste erlitten. Es gebe Tote, sagte Innenminister Arsen Awakow am Montag Medien zufolge. Eine Zahl nannte er nicht. Zuvor war die Rede von bis zu acht verletzten Sicherheitskräften gewesen. Awakow schätzte, dass etwa 800 bewaffnete Separatisten die Stellungen in Slawjansk hielten. „Sie setzen schwere Waffen ein, schießen mit großkalibrigen Waffen, benutzen Granatwerfer und sonstige Technik“, sagte der Minister. Die Truppen hätten trotz der Gegenwehr den Fernsehturm der Stadt eingenommen.

Wie die Agentur Reuters berichtet, flohen mehrere prorussische Separatisten vor den Gefechten. Mindestens zwei Radpanzer mit Separatisten verließen am Montag fluchtartig östliche Vororte der Stadt. Ein Reuters-Korrespondent berichtete, dass die Kämpfe offenbar immer näher ans Zentrum heranrücken.

+++ Slawjansk: Verletzte bei neuem Vorgehen ukrainischer Einheiten +++

Prorussische Kräfte in der ostukrainischen Stadt Slawjansk berichten über neue Angriffe von Regierungstruppen. Mindestens fünf Angehörige der „Selbstverteidigungskräfte“ seien am Montag schwer verletzt worden, teilte ein Sprecher der Agentur Interfax mit. Angegriffen würden Posten am Stadtrand, hieß es. „Wir sind durch einen dichten Ring (ukrainischer Einheiten) eingeschlossen. Viele Geschäfte machen zu, weil es keine Waren mehr gibt, mit denen zu handeln wäre“, sagte ein Sprecher der Aufständischen.

In dem strategisch wichtigen Slawjansk sind seit Tagen ukrainische Soldaten mit Panzerfahrzeugen, Hubschraubern und Gefechtswagen im Einsatz. Dabei gab es nach offiziellen Angaben zahlreiche Tote. Die „Anti-Terror-Operation“ der prowestlichen Regierung in Kiew soll eine Abspaltung der Ostukraine von der Ex-Sowjetrepublik verhindern.

Bei Vorstößen des ukrainischen Militärs sind in Slawjansk offenbar mehrere Mitglieder prorussischer Milizen schwer verletzt worden.
Bei Vorstößen des ukrainischen Militärs sind in Slawjansk offenbar mehrere Mitglieder prorussischer Milizen schwer verletzt worden.

© dpa

+++ "SZ": Deutsche OSZE-Beobachter mit Nähe zum BND +++

Laut Bundesregierung hatte die Arbeit der deutschen OSZE-Gesandten, die in der Ukraine als Geiseln genommen wurden, "mit Spionage überhaupt nichts zu tun". Doch laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" gab es offenbar zumindest eine gewisse Nähe zum Bundesnachrichtendienst (BND). Die vier Männer arbeiten dem Bericht zufolge für das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr, kurz: ZVBw. Diese Behörde sitzt auf dem Bundeswehrstützpunkt im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen. Ihre Aufgabe sei es zu überprüfen, ob andere Staaten Rüstungskontrollverträge einhalten, die sie mit Deutschland geschlossen haben. Hilfe bekämen sie dabei vom BND, der in Geilenkirchen eine geheime Außenstelle betreibe. Der Auslandsgeheimdienst berate deutsche OSZE-Beobachter vor ihren Einsätzen und informiere sie über die Lage im jeweiligen Land.

+++ Die Ukraine-Krise bei Günther Jauch +++

"Ist Putin noch zu stoppen?" - Unter dieser Leitfrage diskutierten Günther Jauch und seine Gäste am Sonntagabend über die Krise in der Ukraine. Lesen Sie hier die TV-Kritik von Barabara Sichtermann.

+++ Unions-Politiker maßregeln Gauweiler für OSZE-Schelte +++

Nach der Kritik von CSU-Vize Peter Gauweiler am Einsatz von OSZE-Militärbeobachtern in der Ukraine haben sich einflussreiche Unions-Politiker von ihrem Kollegen distanziert. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der „Passauer Neuen Presse“, Gauweilers Äußerungen gäben „in weiten Teilen seine persönliche Haltung wieder, gerade in Hinblick auf den Oberst“. Gemeint war damit OSZE-Teamleiter Oberst Axel Schneider, der dem Separatistenführer Wjatscheslaw Ponomarjow die Hand geschüttelt hatte und dafür von Gauweiler angegriffen worden war.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, nannte es „eine ziemliche Frechheit, vom gemütlichen Schreibtisch in München aus das Verhalten deutscher Soldaten in Geiselhaft zu maßregeln“. Das „schlagzeilenträchtige Interview“ Gauweilers mit dem „Spiegel"-Magazin sei „unerträglich“, denn: „Die Soldaten wurden als Geiseln genommen, wurden öffentlich vorgeführt und standen in einer ungeheuerlichen Drucksituation.“ Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok bezeichnete Gauweilers Einlassungen seinerseits im „Welt"-Interview als „komplett unverständlich“. Dass der CSU-Vize ebenso wie die Linkspartei die OSZE-Mission kritisiert habe, erwecke den Eindruck einer „Seelenverwandtschaft zwischen Peter Gauweiler und einigen Protagonisten der Linkspartei“. Die sieben Militärbeobachter, darunter vier Deutsche, waren am Samstag nach mehr als einwöchiger Gefangenschaft von prorussischen Milizen in der Ostukraine freigelassen worden. Sie waren von ihren Geiselnehmern zunächst als „Kriegsgefangene“ und „NATO-Spione“ bezeichnet worden, später dann als „Gäste“.

+++ OSZE-Vorsitzender Burkhalter wird zu Gesprächen nach Moskau reisen +++

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Kremlangaben einen Dialog der Konfliktparteien in der Ukraine gefordert. Der Kremlchef bekräftigte seine Haltung, wonach die prowestliche Führung in Kiew dringend das Gespräch mit den moskautreuen Protestführern im Südosten des Landes suchen müsse. Merkel habe sich in dem Gespräch erleichtert gezeigt über die Freilassung der festgesetzten OSZE-Beobachter, hieß es am Sonntagabend in Moskau. Wie der Kreml weiter mitteilte, wird der OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter an diesem Mittwoch (7. Mai) zu Gesprächen über die schwere Ukraine-Krise nach Moskau reisen.

Steinmeier will neue Ukraine-Konferenz

Bei Vorstößen des ukrainischen Militärs sind in Slawjansk offenbar mehrere Mitglieder prorussischer Milizen schwer verletzt worden.
Bei Vorstößen des ukrainischen Militärs sind in Slawjansk offenbar mehrere Mitglieder prorussischer Milizen schwer verletzt worden.

© dpa

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier dringt auf eine weitere internationale Konferenz zur Beilegung der Ukraine-Krise. Er werbe für ein neues Treffen in Genf, “in dem endlich klare Verabredungen getroffen werden, wie man diesen Konflikt zum Stillstand bringt“, sagte Steinmeier am Sonntag der ARD-Sendung Bericht aus Berlin. “Alles andere wäre verantwortungslos, weil es nur weitere Opfer bedeutet.“ Es gehe darum, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu stärken, “sie mit Vermittlungsaufgaben betrauen, lokale runde Tische einzurichten, dafür zu sorgen, dass lokale Konflikte in einzelnen Städten entkrampft werden“.

+++ Angriff auf Polizeirevier in Odessa +++

Prorussische Kräfte haben am Sonntag die Zentrale der Polizei in der südukrainischen Stadt Odessa angegriffen. Die mehr als 2000 Demonstranten riefen „Faschisten, Faschisten“, als sie das Gebäude stürmten, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Zugleich forderten sie die Freilassung einiger Gesinnungsgenossen, die nach den Zusammenstößen am Freitag festgenommen worden waren. Die Angreifer waren mit Knüppeln bewaffnet und durchbrachen ein Tor mit zwei Lastwagen. Berichten örtlicher Medien zu Folge habe die Polizei unter dem Druck der Demonstranten zahlreiche Gefangene freigelassen, die nach den jüngsten Unruhen festgenommen worden waren. Augenzeugen sprachen von 30 Menschen.

In der Hafenstadt war am Freitagabend die Gewalt zwischen hunderten Anhängern der Regierungen in Kiew und Moskau eskaliert.

+++ Ukrainische Armee weitet Offensive im Osten aus +++

Nach der Freilassung der OSZE-Militärbeobachter hat die ukrainische Armee ihre Offensive gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes ausgeweitet. Nachdem es am Freitag in Slawjansk und Odessa dutzende Tote gegeben hatte, wurde am Wochenende auch in Städten wie Kramatorsk, Lugansk und Kostjantyniwka gekämpft. Die OSZE-Beobachter, unter ihnen vier Deutsche, waren am Samstag nach acht Tagen in der Gewalt der Milizen freigelassen worden. Die Männer landeten abends an Bord einer Bundeswehr-Maschine in Berlin. CSU-Vize Peter Gauweiler kritisierte unterdessen den Einsatz der OSZE-Militärbeobachter.

Der Militäreinsatz sei auf weitere Städte ausgeweitet worden, sagte der Vorsitzende des ukrainischen Sicherheitsrats, Andrij Parubij. Bei Kostjantyniwka räumten die Separatisten in der Nacht zum Sonntag einen Kontrollposten, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Kämpfer der Milizen berichteten über nächtliche Gefechte mit der Armee. In Kramatorsk eroberte die Armee am Samstag einen Fernsehsendeturm und mehrere Kontrollposten der Milizionäre zurück. In Lugansk griffen prorussische Bewaffnete eine Militäreinheit und ein Rekrutierungsbüro der Armee an und verletzten zwei Soldaten.

+++ Russland: Kiew führt "Strafaktion gegen das eigene Volk" +++

Russland forderte von der OSZE und dem Europarat eine scharfe Reaktion auf die „Anti-Terror-Operation“ in der Ostukraine. Die Regierung in Kiew führe eine „Strafaktion gegen das eigene Volk“ durch, aber der Westen schweige dazu, kritisierte das Außenministerium in Moskau am Sonntag. Russland könne nicht glauben, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nicht informiert sei über das „Blutvergießen, das schießende Truppen an unbewaffneten Menschen“ anrichteten, hieß es in einer Mitteilung. Moskau rufe den Westen mit Nachdruck auf, auf die „tragischen Ereignisse in der Ukraine schnell zu reagieren“.

+++ Beruhigung der Lage in Slawjansk +++

In Slawjansk schien sich die Lage am Sonntagmorgen zunächst beruhigt zu haben. Dort waren am Freitag bei Kämpfen mindestens neun Menschen getötet worden. In der Schwarzmeerstadt Odessa war am Freitagabend die Gewalt zwischen hunderten Anhängern der Regierungen in Kiew und Moskau eskaliert. Bei Straßenschlachten bewarfen sich beide Seiten mit Molotow-Cocktails, ein Gewerkschaftsgebäude wurde in Brand gesteckt. Insgesamt wurden 42 Menschen getötet. Übergangspräsident Oleksander Turtschinow ordnete eine zweitägige Staatstrauer an. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk reiste am Sonntag nach Odessa und sagte, die Gewalteskalation sei Teil eines russischen „Plans zur Zerstörung der Ukraine“. Er warf prorussischen Demonstranten vor, die Gewalt „provoziert“ zu haben. Außerdem versprach er eine Untersuchung, „um herauszufinden, wer nicht seine Pflicht getan hat“. Weil die Sicherheitskräfte die tödliche Gewalt nicht verhinderten, seien bereits die Polizeichefs der Stadt entlassen worden.

Nach Angaben von Augenzeugen hatten prorussische Aktivisten zunächst proukrainische Demonstranten und Fußballfans in der südukrainischen Stadt attackiert und sich später in das Gewerkschaftshaus zurückgezogen, das dann von einer wütenden Menschenmenge angegriffen wurde.

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Auf einem Video war am Wochenende zu sehen, wie der Brand im Gewerkschaftshaus in Odessa entstand. Zu Beginn des Videos ist eine große Gruppe Männer zu sehen, die gezielt die Zelte vor dem Gebäude anzünden. Anschließend laufen einzelne in das Gebäude und legen dort Feuer. Das Video wird in der Ukraine als Indiz dafür betrachtet, dass sich der Brand nicht in der Folge eines Streites zwischen pro-ukrainischen und pro-russischen Demonstranten entwickelt hat. Vielmehr deutet vieles darauf hin, dass eine Gruppe gezielt das Feuer gelegt hat.

+++ Ursula von der Leyen verteidigt Beobachtermission +++

Nach dem Ende des Geiseldramas in der Ostukraine rechtfertigt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Entsendung der unbewaffneten OSZE-Militärbeobachter in die umkämpfte Region. Die CDU-Politikerin wies Vorwürfe zurück, die Mission unter Leitung von Bundeswehroberst Axel Schneider sei zu riskant gewesen. Die Bundesregierung dürfe sich „nicht einschüchtern lassen“. Nach acht Tagen Geiselhaft war das in Slawjansk festgesetzte Team am Samstag freigekommen.

Die Entführung der Inspektoren sei „der Anfang der Eskalation in der Region gewesen“, sagte die Ministerin im ZDF-„heute journal“. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass es etwa bereits am 13. April in der Stadt einen sogenannten Anti-Terror-Einsatz gegen Separatisten mit Toten und Verletzten gegeben habe.

+++ CSU-Vize Gauweiler übt Kritik +++

CSU-Vizechef Peter Gauweiler äußerte Kritik an der Mission unter Leitung der Bundeswehr. Die Aktivitäten deutscher Soldaten in Zivilkleidung in der Ostukraine - zeitgleich und außerhalb der diplomatischen OSZE-Sondermission - seien nicht im deutschen Interesse, sagte er dem „Spiegel“. Er verstehe nicht, „dass es unser Interesse sein soll, uns in dieser plumpen Weise noch tiefer in den Konflikt hineinziehen zu lassen“.

Auch die festgesetzten Bundeswehroffiziere hätten während der Geiselhaft keinen guten Eindruck gemacht, meinte Gauweiler. Zwar verletze die Zurschaustellung durch die Separatisten alle Standards. „Ich habe mich allerdings auch gefragt: Warum zum Beispiel bedankt sich ein deutscher Offizier bei seinem Geiselnehmer in einer öffentlichen Pressekonferenz? Der ganze Vorgang macht auch für die Bundeswehr einen unguten Eindruck.“ Zuvor hatte bereits die Linke die Entsendung der Gruppe unklug und „zutiefst unprofessionell“ genannt. Die allein zwischen Berlin und Kiew vereinbarte „Verifikationsoperation“ erweise der eigentlichen, diplomatischen OSZE-Mission mit ihren rund 140 Mitgliedern einen Bärendienst, hatte der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, Alexander S. Neu, vergangene Woche erklärt. „Die Frage ist doch: Warum gerade jetzt und im Osten des Landes?“

+++ Leyen: Wahl am 25. Mai muss auf jeden Fall stattfinden +++

Leyen sagte, die OSZE müsse zu dem stehen, was ihr Auftrag sei, „nämlich dass Sicherheit und Zusammenarbeit durch Transparenz, auch vertrauensbildende Maßnahmen möglich ist“. Jetzt gelte es alles dran zu setzen, dass die Präsidentschaftswahlen wie geplant am 25. Mai stattfinden können und dass sie unter Beobachtung der OSZE anerkannt werden.

Nach Angaben des Vizechefs des OSZE- Krisenpräventionszentrums, Claus Neukirch, gehörten die Soldaten nicht zur diplomatischen OSZE-Beobachtermission. Es handele sich vielmehr um eine Mission unter Leitung der Bundeswehr und auf Einladung der ukrainischen Regierung. Solche Inspektionen nach dem „Wiener Dokument“ haben nicht das breite Mandat einer OSZE-Mission, sondern sind unter den teilnehmenden Staaten selbst vereinbart. (AFP/dpa/Reuters)

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