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Politik: Schwere israelische Attacken - Hisbollah schlägt zurück - Zehntausende Israeli fliehen aus der Grenzregion

Nicht nur Beirut, auch Damaskus rechnete seit Tagen mit neuen israelischen Angriffen. Die syrischen Einheiten beim Umspannwerk von Jamhour in den östlichen Bergen von Beirut zum Beispiel hoben neue Schützengräben aus.

Nicht nur Beirut, auch Damaskus rechnete seit Tagen mit neuen israelischen Angriffen. Die syrischen Einheiten beim Umspannwerk von Jamhour in den östlichen Bergen von Beirut zum Beispiel hoben neue Schützengräben aus. Die Soldaten wirkten nervös. Doch dann überraschte die Heftigkeit der nächtlichen Attacke. Es waren die schwersten Luftangriffe seit Juni letzten Jahres, als kurz nach Mitternacht Ortszeit die drei wichtigsten Stromversorgungszentralen in Flammen standen. Auch eine Basis der pro-iranischen Hisbollah-Miliz westlich von Baalbek wurde zerstört. Vorläufige Bilanz der Bombennacht: 21 Verletzte, die Schäden an den Elektrowerken belaufen sich, vorsichtigen ersten Schätzungen zufolge, auf etwa 120 Millionen US-Dollar.

Weite Teile der libanesischen Hauptstadt wie auch die Städte Tripolis und Baalbek sind seither ohne Strom. Während einer Pressekonferenz gab sich Libanons Premierminister Selim El Hoss am Dienstag sorgenvoll: "Der Friedensprozeß ist in großer Gefahr", sagte er, wohl wissend, dass ein Ende der Gewalt nicht abzusehen ist. Erst am Tag zuvor hatte Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah im Fernsehen erklärt, die Katjuscha-Raketen seiner Truppe stünden bereit, Nordgaliläa anzugreifen, sollte Israel zivile Infrastrukturziele im Libanon attackieren.

In Israel rechtfertigte Generalmajor Giora Eiland, der die Operation geleitet hatte, den Angriff. Er habe stattgefunden, nachdem in der vergangenen Woche fünf israelische Soldaten sowie die Nummer Zwei der mit Israel verbündeten Miliz Südlibanesische Armee (SLA) durch Hisbollah-Attacken getötet worden waren: "Die Lage war unhaltbar geworden." Israels Regierungschef Ehud Barak erklärte: "Diejenigen, die uns Schaden zugefügt haben, werden selbst zu leiden haben." Kabinettsminister Haim Ramon kündigte an, Israel werde scharf auf neue Angriffe reagieren und auch zivile Opfer in Kauf nehmen. Der von Barak bis Juli angekündigte Truppenabzug solle auf jeden Fall fristgerecht stattfinden; möglicherweise würden die ersten Soldaten schon Monate früher abgezogen. Die Mehrheit der Kabinettsminister unterstütze mittlerweile einen einseitigen Rückzug, sagte Ramon weiter.

Als einen Schlag gegen den ohnehin lahmenden Friedensprozess im Nahen Osten verurteilten arabische Organisationen und syrische Medien die Angriffe. Die Islamische Konferenz erklärte in Damaskus, "die Aggression zeigt deutlich den Unwillen Israels zum Frieden". Die Bombardements seien auch ein Zeichen dafür, dass Israel den Friedensprozess zum Scheitern bringen wolle. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Esmat Abdel-Meguid, forderte die Vereinigten Staaten auf, Druck auf Israel auszuüben. Auch Frankreich verurteilte die Angriffe. Die Sprecherin des Außenministeriums, Anne Gazeau-Secret, sprach von einem Verstoß gegen die Vereinbarung vom April 1996, deren Ziel der Schutz der Zivilbevölkerung gewesen sei.

Mehrere Zehntausend Israelis verließen am Dienstagmorgen die Grenzregion zu Libanon Richtung Süden oder suchten Zuflucht in Schutzräumen. Aus der Stadt Kirjat Schmone nahe der Grenze zu Libanon flohen Bewohner aus Furcht vor einem Beschuss mit Katjuscha-Raketen in Konvois nach Süden. Die Straßen in der 24 000-Einwohner-Stadt waren am Dienstag nahezu leer. Unterdessen hat die Hisbollah-Miliz zwei neue Angriffe auf israelische Stellungen in der so genannten Sicherheitszone in Südlibanon gemeldet. Dabei sei mindestens ein israelischer Soldat getötet worden, verlautete aus libanesischen Sicherheitskreisen. Die Angriffe hätten sich gegen einen Posten in Dabsche und Beir Kalaab oberhalb der Kleinstadt Nabatijeh gerichtet.

Birgit Bogler

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