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Politik: Schwierige Grenzfrage, kluges Urteil: Dürfen Verteidiger von Holocaust-Leugnern den Holocaust verharmlosen?

Seine Autobiographie, die er dieser Tage in der Bundesrepublik vorstellte, trägt den Titel "Chuzpe". Alan M.

Seine Autobiographie, die er dieser Tage in der Bundesrepublik vorstellte, trägt den Titel "Chuzpe". Alan M. Dershowitz, Jurist, Professor an der Havard-Universität, ist als Strafverteidiger ein berühmter Mann. Spätestens der Film über den Fall des Claus von Bülow, der ihm seinen Freispruch verdankte, nachdem er - ohne Dershowitz - zunächst als Mörder verurteilt worden war, hat ihn weltweit bekannt gemacht.

Dershowitz Qualität als Jurist besteht nicht zuletzt darin, dass er sich kritisch gegenüber stehen kann; dass es kaum Zweifel seiner Person und seiner Tätigkeit gegenüber gibt, die ihn nicht selbst beschäftigen.

Er hat beispielsweise, lange bevor er seiner Autobiographie den Titel "Chuzpe" gab, erklärt, was Chuzpe ist. Chuzpe ist es, so Dershowitz, wenn ein Mann, der seine Eltern getötet hat, als Angeklagter im Schlusswort darum bittet, man möge doch berücksichtigen, dass er nun Vollwaise ist.

Die Frage, welche seiner freigesprochenen Mandanten denn doch schuldig waren, beantwortet Dershowitz selbstverständlich nicht. Keine Frage, die ethischen Probleme der Strafverteidigung sind ihm bewusst. Seine juristischen Veröffentlichungen belegen das. Wie weit darf der Strafverteidiger gehen? Ist ihm alles erlaubt?

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) verhandelte in der vergangenen Woche über ein Urteil des Landgerichts Mannheim, das im März 1999 den Rechtsanwalt Ludwig Bock zu 9000 Mark Geldstrafe verurteilt hatte. Bock habe als Verteidiger des ehemaligen NPD-Vorsitzenden Günther Deckert die Morde an jüdischen Menschen unter Hitler verharmlost. Bock und die Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe durchsetzen wollte, hatten Revision eingelegt.

Bock war wegen Volksverhetzung verurteilt worden. In einem Hilfsbeweis Antrag hatte er die Vernehmung des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, des ehemaligen Bundeskanzlers, Helmut Kohl, und der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach beantragt. Sie würden bestätigen, dass "primär massive politische Interessen" den "Durchbruch der historischen Wahrheit im Zusammenhang mit dem Holocaust" verhinderten. Die "deutsche politische Klasse" sei außer Stande zuzugeben, dass sie sich für dumm verkaufen lasse.

Der Verteidiger Bock ist vor dem BGH von Norbert Wingerter klug verteidigt worden. Es sei Aufgabe des Verteidigers zu verharmlosen. Vor "Unerhörtem" dürfe er nicht zurückschrecken. Wingerter erinnerte an den Volksgerichtshof, vor dem die Anwälte zu parieren und zu schweigen hatten. Für die Bundesanwaltschaft hielt Christian Ritscher dagegen, der Beweisantrag habe mit Strafverteidigung nichts mehr zu tun. Er sei Polemik gewesen, sonst nichts.

Der 1. Strafsenat hat beide Revisionen zurückgewiesen, also das Mannheimer Urteil bestätigt. Auch er sah den Tatbestand der Volksverhetzung durch Verharmlosung der NS-Verbrechen gegeben. Für den Senat begründete der Vorsitzende Richter Gerhard Schäfer, dass Prozesshandlungen von Strafverteidigern strafbar seien, wenn ihnen jede legitimierende Zielsetzung fehle. Schäfer erklärte, die Strafverteidigung dürfe nicht beschränkt werden, aber einen Freibrief habe sie nicht. Auch sprach Schäfer von beschimpfenden Elementen in Bocks Hilfsbeweis Antrag.

Die politischen und juristischen Auseinandersetzungen um, die "Volksverhetzung" und die "Auschwitz-Lüge" werden nach dieser gelassenen Entscheidung nicht wieder aufleben. Zur grundsätzlichen Frage, wie weit Strafverteidigung gehen darf, ist sie aber auch ein Beitrag.

Gerhard Hammerstein, Freiburg, ein hoch angesehener Senior der Anwaltschaft, hat einmal Quintilian zitiert, der den Rhetor, den Anwalt im antiken Rom, aufforderte, "den rettenden Hafen seiner Beredsamkeit nicht auch für Seeräuber zu öffnen". Und Alan M. Dershowitz, der für den bedingungslosen Einsatz des Strafverteidigers zu Gunsten des Mandanten eintritt - schrieb auch einen Kriminalroman, der "Ein Spiel mit dem Teufel" heißt und bei dtv vorliegt.

In dem verteidigt Abe Ringel, der für Publicity zu haben ist, erfolgreich einen Basketballstar gegen den Vorwurf, eine junge Frau brutal vergewaltigt zu haben. Der Freigesprochene begeht einen Mord, ohne als Täter verdächtigt zu werden. Abe Ringel ist fassungslos - und zu seinem Entsetzen muss er auch noch entdecken, dass seine Tochter für den Basketballer nicht nur schwärmt. Krimis soll man nicht ausplaudern. Dershowitz Qualität als Jurist besteht wirklich darin, dass er sich kritisch gegenübersteht.Gerhard Mauz ist Autor des "Spiegel".

Gerhard Mauz

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