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Papst Johannes Paul II. sprach 1983 in einem Gefängnis in Rom mit Ali Agca, der 1981 Schüsse auf ihn abgegeben hatte.

© dpa

Schwierige Wahrheitsfindung: Papstattentäter: Auftrag kam aus Vatikan

Zum ersten Mal seit seiner Haftentlassung hat sich der Papstattentäter Ali Agca öffentlich zu Wort gemeldet. Und wie man es von ihm gewohnt ist, hatte er Abenteuerliches zu sagen. Der Vatikan selbst habe ihm den Auftrag für das Attentat auf Johannes Paul II. gegeben.

Mal bezeichnet er sich selbst als Jesus Christus, mal kündigt er eine grundlegende Reform des Christentums an, mal will er als Fremdenführer nach Italien ziehen - der türkische Papstattentäter Mehmet Ali Agca hat schon häufig mit merkwürdigen Aussagen auf sich aufmerksam gemacht. In seinem ersten ausführlichen Fernsehinterview seit seiner Haftentlassung im Januar enthüllte der heute 52-Jährige nun die angebliche Wahrheit über seine Schüsse auf Papst Johannes Paul II. im Jahr 1981: Der Vatikan selbst habe alles eingefädelt, um den Kommunismus zu schwächen, sagte Agca. Die Schüsse auf den Papst waren demnach eine List des Kalten Krieges. Doch in der Türkei wird bezweifelt, ob Agca die ganze Wahrheit sagte.

Gekleidet in einen dunklen Anzug mit Krawatte war Agca in dem Interview des türkischen Staatssenders TRT sichtlich um jene Seriosität bemüht, die bei seinen bisherigen, mitunter sehr exzentrischen Auftritten häufig fehlte. "Auf jeden Fall steckt die Regierung des Vatikan hinter dem Papstattentat", sagte er und hob beschwörend die Hand. "Die Regierung des Vatikan hat das Papstattentat beschlossen, geplant und organisiert."

Entscheidender Mann sei der damalige Regierungschef im Vatikan, Agostino Casaroli, gewesen, sagte Agca. Er selbst habe in mehreren Raten 40.000 bis 50.000 Dollar für die Vorbereitung erhalten, die Tatwaffe besorgte er sich demnach in Österreich. Casaroli kann dazu nicht befragt werden: Er starb 1998.

Seit dem Attentat vom Petersplatz rätselten Ermittler in Italien und Beobachter in aller Welt über die Motive für den Anschlag. Agca trug nichts zur Wahrheitsfindung bei, sondern erweckte in seinem Prozess mit sonderbaren und widersprüchlichen Aussagen den Eindruck, er habe den Verstand verloren. Manche vermuteten, der aus der rechtsradikalen Szene der Türkei stammende Auftragskiller habe sich damals nur verstellt, um die wahren Hintergründe zu verschleiern. Eine häufig genannte These lautete, osteuropäische Geheimdienste hätten die Schüsse auf den unerbittlichen Anti-Kommunisten Johannes Paul angeordnet.

Genau diese Version habe der Vatikan mit dem Attentat in die Welt setzen wollen, sagte Agca jetzt. Das Papstattentat habe dazu beitragen sollen, "das Sowjet-Imperium aus der Geschichte zu tilgen", sagte Agca. Er deutete sogar an, dass Papst Johannes Paul das Attentat wissentlich in Kauf genommen haben soll, um dieses Ziel zu erreichen.

"Du wirst den Papst nicht töten, du wirst ihn nur verletzen", hätten ihm seine Auftraggeber eingeschärft, sagte Agca. Er habe strikte Anweisung gehabt, nicht auf Kopf oder Herzgegend zu zielen, sondern auf den Bauch. Der Papst erlitt bei dem Attentat unter anderem einen Bauchschuss.

Der Vatikan habe ihm versprochen, er werde nach dem Attentat höchsten zwei Jahre in Haft bleiben, sagte Agca weiter. Daraus wurde nichts: Agca saß 20 Jahre in Italien ein, bevor er im Jahr 2000 in die Türkei abgeschoben wurde, wo er weitere zehn Jahre für einen 1979 begangenen Mord an dem Journalisten Abdi Ipekci abbüßen musste.

Wegen Agcas Vorleben als Journalisten-Mörder und wegen seines oft sonderlichen Gebarens in der Öffentlichkeit hatten türkische Medien den Papstattentäter bisher ignoriert. Dieser informelle Boykott, eine höchst ungewöhnliche gemeinsame Haltung in der von harter Konkurrenz geprägten Medienlandschaft des Landes, sei jetzt vom Staatssender TRT durchbrochen worden, kritisierte der bekannte Fernsehjournalist Mehmet Ali Birand. Es stehe dem Staatssender nicht gut an, "einen Mörder auf den Bildschirm einzuladen". Vertreter anderer Medien verteidigten die Entscheidung von TRT.

Während sich die Medien streiten und damit Agca im Gespräch halten, vermuten einige Beobachter, dem Papstattentäter sei es mit seinem Auftritt nicht so sehr um die Wahrheit gegangen, sondern ums Geld. Davut Sahin, ein Kolumnist bei dem religiös-konservativen Nachrichtenportal "Haber7", machte seine Leser darauf aufmerksam, dass Agca auch bei TRT längst nicht alle Fragen beantwortet und damit die Neugier auf sein angekündigtes Buch angefacht habe: "Agcas Buch ist ab jetzt noch kontroverser."

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