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Sebastian Edathy. Juristisch ist der Fall zu Ende. Politisch nicht.

© AFP

Sebastian Edathy: Die SPD und Edathy - nach wie vor das Zeug zur Staatsaffäre

Der Prozess gegen Sebastian Edathy mag schnell zu Ende gegangen sein, der Fall Edathy ist es noch lange nicht. Gerade was die Verstrickung von Politik und Justiz betrifft, ist noch vieles aufzuklären. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Ist jetzt alles vorbei? Juristisch gesehen zumindest ja. Als im Februar 2014 die Kinderporno-Vorwürfe gegen Sebastian Edathy publik wurden, sah es zunächst nach einem dramatischen Einzelschicksal aus: nach dem tiefen Fall eines noch wenige Wochen zuvor als unerschrockenen Aufklärer gefeierten Bundestagsabgeordneten. Edathy war ins Dickicht von Behörden- und Sicherheitsdienstversagen rund um die rechte Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds eingetaucht und hatte zusammen mit seinen Kollegen im Bundestags-Untersuchungsausschuss jede Menge Unrat zu Tage befördert.

Der SPD-Parlamentarier gehörte, auch wenn er schon über zehn Jahre Abgeordneter war, immer noch zur Riege der großen Talente und Nachwuchshoffnungen seiner Partei. Dann kam der Absturz, die Kinderporno-Vorwürfe. Ein schnelles Geständnis, das Zugeben eines Fehlers hätte möglicherweise seine Karriere retten können. Aber dazu konnte er sich nicht durchringen. Jetzt, ein Jahr später, hat er es getan - aus Kalkül, um einer deutlich höheren Strafe zu entgehen. Das ist sein gutes Recht. Ob es aber an seiner im vergangenen Jahr immer wieder zur Schau gestellten Hybris, seiner Überheblichkeit etwas ändert, darf bezweifelt werden. Sein jüngster Facebook-Eintrag spricht klar dagegen.

Von Schuld will er nicht sprechen. Im Gegenteil. Ein wirkliches, auch über das juristische hinausgehendes Eingeständnis ist es nicht. Zu den Kindern, die für die von ihm heruntergeladenen Filme und Fotos herhalten mussten und missbraucht wurden, findet er noch immer kein Wort. Mit diesem Verfahrensausgang ist Edathy juristisch weder schuldig noch unschuldig, moralisch aber hätte er seine Schuld mindestens gegenüber den Kindern und Jugendlichen eingestehen können - wenn er Größe und Souveränität besessen hätte. Juristisch ist dieses Geständnis aber einiges Wert: 5000 Euro für den Kinderschutzbund Niedersachsen und für Edathy die Gewissheit, als freier Mann ein neues Leben anzufangen.

Der Fall Edathy hat nach wie vor das Potenzial zur Staatsaffäre

Politisch ist der Fall Edathy aber noch lange nicht abgehakt. Darum ging es in diesem kurzen Prozess auch nicht. Und letztlich geht es auch im Bundestags-Untersuchungsausschuss nicht um die persönliche Schuld oder Unschuld von Edathy. Aber der Ausschuss hat die nach wie vor ungelöste Frage zu klären, wer wann was von dem Verdacht gegenüber Edathy wusste und wem davon berichtet hat. Schon jetzt ist klar, dass nicht nur die politische Spitze spätestens im Herbst 2013 über die Vorwürfe gegen Edathy im Bilde war, sondern dutzende weitere Personen in Berlin und auch in Niedersachsen.

Edathy selbst hat zugegeben, dass er einen Informanten hatte: den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann. Der bestreitet das aber und hat sich jüngst über seinen Anwalt gegenüber der Staatsanwaltschaft Berlin dagegen zur Wehr gesetzt. Der CSU-Minister Hans-Peter Friedrich musste bereits zurücktreten. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann steht weiter unter Druck. Die SPD blickt nervös in Richtung Edathy-Untersuchungsausschuss. Dieser nimmt sich zwar im Moment dem Thema eher von Ermittlerseite an. Das bringt der Politik Zeit. Aber auf die Frage, welche Rolle Oppermann in der Angelegenheit gespielt hat, wird er zurückkommen.

Der Fall Sebastian Edathy, und auch das wurde vor gut einem Jahr schnell klar, ist eben nicht nur der dramatischer Sturz eines Einzelnen, es ist nicht nur Einzelschicksal. Hinter dem Fall könnte sich eine echte Staatsaffäre verbergen, in der Politik und Justiz enge Wege gegangen sind, weshalb Edathy möglicherweise wichtiges Beweismaterial vernichten konnte - mindestens aber die Gelegenheit dazu gehabt haben könnte.

Ob Edathy in diesem Teil seines Falls zur Aufklärung beigetragen hat, ist offen. Es stehen immer noch Aussagen gegen Aussagen, und solange jeder sein eigenes Ziel verfolgt, wird sich daran auch nichts ändern. Noch ging es vor Gericht um diese ganzen Aspekte nicht. Ob das aber so bleiben wird, muss man abwarten. Abgeschlossen ist der Fall Edathy auf keinen Fall.

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