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Innenminister Horst Seehofer in Halle.

© REUTERS/Hannibal Hanschke

Seehofers Warnung vor der Gamer-Szene: Teile der Politik verweigern den Blick auf die Realität

Der Bundesinnenminister wird wegen seiner Warnung vor rechtsextremen Tendenzen in der Gamer-Szene scharf kritisiert. Doch Seehofer hat recht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Horst Seehofer wird mal wieder verbal geprügelt. Der Bundesinnenminister hatte nach dem Anschlag in Halle vor einer Unterwanderung der Szene der so genannten Gamer, also der Computerspielgemeinschaft, durch Rechtsextremisten gewarnt. Das passt weder FDP-Chef Christian Lindner noch dem Youtuber Rezo, der den Minister und dessen Crew für „krass inkompetent“ erklärt. Lindner wirft Seehofer vor, er stelle die Gamer „unter Generalverdacht“. Doch die Kritik ist überzogen.

Seehofer hat ein Problem benannt, das die Sicherheitsbehörden schon länger kennen. Die Gamer-Szene ist keineswegs davor gefeit, von Rechtsextremisten missbraucht zu werden. Im April hatte die Bundesregierung auf Anfrage der FDP-Fraktion mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt seien auf Spieleplattformen „relevante Inhalte“ zu rechter Kriminalität bekannt. Bei „Steam“ beispielsweise feierten Gamer den Rechtsextremisten David Sonboly, der im Juli 2016 in München aus Hass auf Migranten neun Menschen erschoss. Das Problem, auf das Seehofers Äußerung hinweist, ist ein anderes, als Rezo und Lindner der Öffentlichkeit einreden wollen.

Die Sicherheitsbehörden haben trotz aller Anstrengungen zu wenig Einblick in extremistische und terroristische Umtriebe im Internet. Das gab die Regierung in April auch zu. „Aus Kapazitäts- und rechtlichen Gründen“ könne das Bundeskriminalamt nicht alle „entsprechenden Internetinhalte“ erfassen, hieß es. Eine Garantie, alle Bekundungen von Sympathie mit Amokläufern oder rechter Hetze zu entdecken, gebe es nicht. Übel genug. Und bei den Nachrichtendiensten ist es nicht besser.

Die Sicherheitsarchitektur umbauen

Es rächt sich, dass Regierungen und Parlamente die Sicherheitsbehörden nicht stärker gerüstet haben, um Extremisten und Terroristen im Netz aufzuspüren. Das Personal reicht nicht, und die vom Verfassungsschutz dringend erbetenen Instrumente wie Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung hängen in politischem Dauerstreit fest. Auch das Gezerre um die Vorratsdatenspeicherung nimmt kein Ende. Und es ist fraglich, ob Seehofers Plan, BKA und Bundesamt für Verfassungsschutz mehr als 700 zusätzliche Stellen zu verschaffen, in Kabinett und Bundestag durchkommt. Teile der Politik verweigern den Blick auf die Realität. Neonazis, Islamisten und andere Fanatiker profitieren.

Notwendig wäre, das zeigt nicht nur der Anschlag in Halle, ein Umbau der Sicherheitsarchitektur. Der alte Grundpfeiler „Analog“ sollte ergänzt werden durch einen zweiten, gleichrangigen namens „Digital“. Polizei, Nachrichtendienste und Staatsanwaltschaften müssen in die Lage versetzt werden, auch in der virtuellen Welt politische wie unpolitische Kriminalität mit deutlich mehr Schlagkraft zu bekämpfen.

Natürlich wäre auch dann keine Garantie möglich, dass Tendenzen zur Radikalisierung und verbrecherische Pläne entdeckt werden. Aber die Sicherheitsbehörden könnten die Gefahren mit mehr Spezialisten und Kompetenzen verringern. Selbst dann wäre ein Überwachungsstaat noch weit entfernt. Weder Seehofer noch Polizei und Verfassungsschutz wollen chinesische Zustände. Die Feinde der Freiheit sind in Deutschland Neonazis und andere Extremisten, nicht der Staat und seine Behörden.

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