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Politik: Sein Berlin ist eine Wolke

Von Werner van Bebber

Das nennt man eine Strategie: Klaus Wowereits Senat macht bis zu den Wahlen 2006 eine Pause beim Sparen. Die wird bei den Wählern schmerzlindernd wirken. Der Finanzsenator garniert die Haushaltsplanung mit ein paar düstersarkastischen Bemerkungen über nicht einstürzende Altbauten und die Beobachtung durch „Karlsruhe“: Der Sparzwang, Leute, kommt von außen, heißt das. Wenn der Senat nicht tut, was die Verfassungsrichter erwarten, wird alles noch schlimmer. Soll heißen: Viel mehr als Sparen fällt dem Senat zu dieser Stadt nicht ein. Aber nicht mal dazu stehen Wowereit und seine Mannen voll und ganz. Dem Sparen, das bei Hans Eichel längst ideenarm wirkt, kommt in der Berliner Variante der letzte Rest von dem abhanden, was Politiker immer auf das schöne Wort „gestalten“ bringen, wenn man sie fragt, was sie an ihrem Job so reizvoll finden.

Über Klaus Wowereits Tages- und Abendgestaltung ist zuletzt viel Berechtigt-Boshaftes gesagt worden. Seitdem des Regierenden Auftritte peinlich enden können, fällt auf, dass Wowereits Performance und das Berliner Binnen-Lebensgefühl nicht so ganz zusammenpassen. Der erste Politiker der Stadt lebt und zelebriert, was Berlin denen zu bieten hat, die sich nicht mit Lehrermangel und vergammelten Schulen, Busfahrerängsten vor irren Passagieren, Jobsuche oder dem Behördenweg zur Anmeldung eines Kleingewerbes herumärgern müssen.

Wowereit hat das längst gemerkt. Längst arbeitet er an einer Image-Reparatur. Er redet vorzugsweise zu ernsten Themen, wie jüngst im Abgeordnetenhaus über den Umgang mit der NPD. Er verkneift sich den schnoddrig-arroganten Ton, mit dem er Oppositionspolitiker abzufertigen pflegte. Er beherrscht sich. Wie schwer ihm das fällt, zeigte sich bei den Glamour-Ereignissen der vergangenen Wochen: wenn er absagte und durchblicken ließ, er müsse sich nicht partyöffentlich amüsieren, wenn ihm die Öffentlichkeit hinterher kritisch komme.

Nicht in den Äußerungen von Lebensfreude, aber in dem Gefühl, unterschätzt zu werden, ähnelt Wowereit jetzt schon Eberhard Diepgen: Zum Regieren gehören endlose Sitzungen, lange Telefonate und glanzlos-langweilige Termine mit unangenehmen Leuten – keiner applaudiert, aber alle erwarten, dass es funktioniert. Das ist die Alltagsfrust-Version von Politik, und sie hat ihre Wahrheit. Viel Gutes bleibt unbemerkt.

Wowereits Defizite fallen deshalb stärker auf, weil da so viel Bemerkenswertes nicht ist. Sicher, er hat die PDS handzahm gemacht. Und die Sparpolitik hat die Berliner Mentalität verändert. Etwas von der im Osten und Westen verbreiteten Nehmermentalität ist weg. Bescheidenheit, Selbsthilfe, Alltagsironie werden wichtiger. Aber Mentalitätswechsel? Die Langsamkeit in Entscheidungsprozessen, dieses Erst-mal-gucken-was-die-anderen-machen ist geblieben. Von überregionalen oder gar bundespolitischen Ambitionen zu schweigen. Undenkbar, dass Wowereit wie Peer Steinbrück eine Kommission über Subventionsabbau leitete. Das Streiten über Integrationspolitik überlässt er seinem Neuköllner Parteifreund Heinz Buschkowsky: zwei Beispiele bloß für Ehrgeiz in der Sache. Bedeutet dem Regierenden die kolossal interessante Berliner Wissenschaft etwas? Wie wichtig sind ihm Kultur und Geschichte jenseits der „Termine“? Kein Ehrgeiz, kein Projekt, kein Leuchten, nirgends.

Aber Wowereits Gegner machen es ihm auch leicht.

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