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Politik: Selbstbewusst und undiplomatisch

Von Ralph Schulze, Madrid Für freundliche Worthülsen-Diskussionen, wie sie auf diplomatischem Parkett gerne geführt werden, ist sie nicht zu haben: Ana de Palacio, Spaniens neue Außenministerin, studiert lieber bis tief in die Nacht die Details jener Probleme, die den Bürgern unter den Nägeln brennen. Sie sei eine Frau „mit Schlamm an den Füßen“, beschreibt sich die 53-Jährige selbst.

Von Ralph Schulze, Madrid

Für freundliche Worthülsen-Diskussionen, wie sie auf diplomatischem Parkett gerne geführt werden, ist sie nicht zu haben: Ana de Palacio, Spaniens neue Außenministerin, studiert lieber bis tief in die Nacht die Details jener Probleme, die den Bürgern unter den Nägeln brennen. Sie sei eine Frau „mit Schlamm an den Füßen“, beschreibt sich die 53-Jährige selbst. Schon der Umstand, dass eine Frau das Außenministerium übernimmt, ist eine Revolution in einem Land, das als Wiege des Männlichkeitskults, des „Machismo“, gilt. Doch die Spanierin weiß, wie man dem die Stirn bietet: Schon im Präsidium des EU-Konventes, der Europas künftige Verfassung ausarbeitet, sitzt sie neben dem Altherrenclub ehemaliger Staats- und Regierungschefs seit Jahresbeginn als einzige Vertreterin des weiblichen Geschlechts.

Ana de Palacio, die seit 1994 für die spanischen Konservativen im EU-Parlament sitzt, gilt in Brüssel wie in Straßburg als eine der engagiertesten Vorkämpferinnen der europäischen Idee. „Viele männliche Abgeordnete, die sich in der EU-Kammer fern der Heimat ein schönes und süffiges Leben gönnen, können sich vom Arbeitseifer dieser Frau eine Scheibe abschneiden“, flüstert man auf dem EU-Parkett. Kein Wunder, dass die Politikerin bislang auch einer der wichtigsten europäischen Parlamentskommissionen als Präsidentin vorsaß, dem Ausschuss für Bürgerrechte, Justiz und Inneres.

Kämpfen konnte de Palacio, die während ihres Studiums von Jura, Politik und Soziologie als Ausnahmestudentin ausgezeichnet wurde, schon immer. Aber seit bei ihr vor zwei Jahren eine bösartige Krebserkrankung diagnostiziert wurde, lernte sie erst richtig, wie man auch fast Unmögliches erreicht – etwa den Sieg über den Krebs. „Ein großer Teil der Heilung findet in deinem Kopf statt. Es ist besser, sich der Krankheit zu stellen, als davor zu fliehen“, sagt de Palacio, die nie ein Geheimnis aus ihrem Leiden machte. Im Gegenteil, als ihr während der Chemotherapie vorübergehend alle Haare ausfielen, weigerte sie sich, ihre Krankheit unter einer Perücke oder einem Kopftuch zu verstecken. Die Frau wurde, nicht nur im Europaparlament, zum Symbol für starken Willen.

Ihren Aufstieg an die Spitze des spanischen Außenministeriums beschreibt sie als „Normalisierung im Zuge einer gesellschaftlichen Strömung – wir Frauen sind genauso vorbereitet wie die Männer". Auch in Spanien eroberten die Frauen langsam, aber „mit Kraft“ alle gesellschaftlichen Bereiche – „auch die Politik". Doch obwohl Spanien von der Gleichstellung noch weit entfernt sei, weltweit nur von drei Botschafterinnen repräsentiert werde, sei sie doch „gegen Frauenquoten". Aber sie werde „unter objektiven Kriterien“ dafür sorgen, dass es künftig eine „stärkere weibliche Präsenz“ gebe.

Die weibliche Präsenz der Familie de Palacio kann hingegen kaum noch gesteigert werden. Ihre Schwester Loyola de Palacio mischt ebenfalls ganz oben in Europa mit als EU-Kommissarin für Energie und Transport. Natürlich wird im ministeriellen Alltag von Ana de Palacio die Europapolitik absolute Priorität haben. Die wichtigste Aufgabe sei, dass Europa „den Erwartungen seiner Bürger entspricht". Man müsse eine bürgernähere, verständlichere Europäische Union schaffen. Da steht Ana de Palacio noch viel Arbeit bevor. Den geplanten Urlaub hat sie getreu ihrem Motto „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ erstmal gestrichen.

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