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Politik: Selbstkritik und Kirschkuchen

Der Kanzler gibt politische Fehler zu – Merkel fordert bessere Rezepte von der Regierung

Von Hans Monath

Manchmal bringt erst demonstrative Selbstkritik einen taktischen Vorteil gegenüber dem politischen Gegner. Mit dem überraschenden Eingeständnis, dass die rot- grüne Koalition den von der Regierung Kohl eingeführten demografischen Faktor nicht hätte abschaffen sollen, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch in der Generaldebatte zum Haushalt das Werben um die Zustimmung der Union zu Steuer- und Reformgesetzen eröffnet.

Der Satz „Das war ein Fehler, keine Frage“ war jedoch nicht das einzige taktische Zugeständnis des Kanzlers an die Union. Auch in der Außenpolitik präsentierte sich Schröder als Staatsmann, der in schwieriger Lage an das Verantwortungsgefühl der Opposition appelliert. In Bezug auf den Irak versicherte Schröder, er habe „nicht die geringste Lust, in eine Debatte darüber einzutreten, wer in der Bewertung des Krieges Recht hatte und wer nicht“. Im Blick auf kommende Entscheidungen äußerte er die Hoffnung, „dass wir da möglichst viel miteinander machen“.

Schröder beschrieb den Haushalt als Versuch, Ressourcen für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig die Wachstumskräfte zu stärken, ohne dabei das europäische Defizitkriterium aus dem Auge zu verlieren. Der Kanzler bemühte sich auch erkennbar, sich als Politiker der langen Linien zu präsentieren, der die Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen ernst nimmt. Es gehe darum, „für diejenigen, die nach uns kommen, eine gute Zukunft zu schaffen“, sagte er. „Das begreife ich als meine Verantwortung.“ Auch die Opposition müsse sich ihrer Verantwortung stellen, meinte der Kanzler ohne Schärfe und sagte voraus: „Vor der werden Sie sich nicht drücken können.“

Doch CDU-Chefin Angela Merkel zeigte sich unbeeindruckt. Nicht das Eingeständnis des Fehlers sei wichtig, sondern die Frage: „Was lernen Sie daraus?“ Die Union werde der Regierung nicht aus der Not helfen, wenn sie keine eigenen Ideen oder „Rezepte“ finde: „Wenn Sie Kirschkuchen wollen, setzen Sie sich hin und backen Sie ihn, dann essen wir gerne mit“, sagte sie.

„Blockieren, wie Sie’s gemacht haben zu Lafontaines Zeiten, das passt nicht zur Union“, versicherte die CDU-Chefin. Ein Signal, wonach die Union als Ganzes oder zumindest ihre Bundestagsfraktion bei den Steuer- und Reformgesetzen der Koalition entgegenkommen wolle, gab die CDU-Politikerin elf Tage vor der Landtagswahl in Bayern freilich nicht. Ihre Formel für das Maß des Entgegenkommens blieb unbestimmt: „Was wir verbessern können, das werden wir verbessern.“ Rasenden Beifall der eigenen Fraktion erntete Merkel, als sie die Absage an die EU-Mitgliedschaft der Türkei erneuerte und ein Zentrum für die Geschichte der Vertreibung in Berlin forderte. Die schärfste Attacke gegen den Kanzler fuhr FDP-Chef Guido Westerwelle. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering wies später auf den Umstand hin, dass die Liberalen in der Reformdebatte gegenwärtig machtpolitisch keine Rolle spielten: „Es ist ziemlich egal, was Sie machen“, sagte Müntefering: „Das ist Ihr Problem.“

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