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Zum Lernen ist es nie zu spät: Hildegard Weide, Jahrgang 1912, testet in im Modellprojekt "Cyber-Haus 2.0" in Magdeburg ein Tablet.

© picture alliance / dpa

Senioren und Digitalisierung: "Kaffee, Kuchen und Tablet - find' ich toll"

Viele Ältere tun sich schwer mit dem Internet. Dabei könnte die Digitalisierung ihnen sehr helfen, sagte eine neue Studie. Nur muss die Politik ihre Hausaufgaben machen.

Von Hans Monath

Bundesfamilien- und Seniorenministerin Franziska Giffey (SPD) ist immer dafür, mit Menschen dort in Kontakt zu treten, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben und sich gerne aufhalten. Auch wenn es darum geht, die Skepsis vieler älterer Menschen gegenüber der Digitalisierung zu überwinden, empfiehlt die Ministerin, was in den Sozialwissenschaften ein „niedrigschwelliges Angebot“ heißt. So war Giffey ganz begeistert von einem Pflegeheim, das seinen Bewohnern beim Kaffeekränzchen Hilfe beim Surfen im Internet anbietet, wie sie sie am Mittwoch bei der Vorstellung des achten Altersberichts der Bundesregierung berichtete: „Kaffee, Kuchen, Tablet – find’ ich prima!“

Der Bericht, zu dem das Kabinett eine Stellungnahme verabschiedete, widmet sich dem Thema Digitalisierung. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass sich bei der Nutzung digitaler Angebote durch die ältere Generation ein Riss zieht. Die Spaltung verlaufe nicht unbedingt zwischen den Generationen, sondern innerhalb der Generation abhängig von sozialem Status, Bildungsstatus und Netzanbindung des Wohnorts, sagte der Vorsitzende der Altersberichtskommission, Andreas Kruse.

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Die Autoren des Berichts fordern die Bundesregierung auf, dem Thema Alter in ihrer Digitalstrategie „weit mehr Gewicht als bisher beizumessen“. Konkret sprechen sie sich für einen Internetzugang in allen Wohnformen älterer Menschen aus, ob zu Hause oder im Pflegeheim. Zudem sollten Bund, Länder und Kommunen kostenfreies Internet im öffentlichen Raum bereitstellen und alte Menschen, die von Grundsicherung oder wenig Einkommen leben, sollten den Internetzugang und die Anschaffung digitaler Technik staatlich gefördert bekommen. Gerontologe Kruse postulierte eine Art „Grundrecht“ auf „digitale Altersvorsorge“.

Es geht nicht nur um Facebook, sondern auch um Telemedizin oder Digitaltechnik in der Pflege

In dem Bericht geht es seinen Worten zufolge nicht nur um Kommunikationstechnologie, sondern um verschiedene Lebensbereiche, in denen die Digitalisierung dazu beitragen kann, die Selbstständigkeit und Zufriedenheit älterer Menschen zu stärken. „Sie sollten ihr Leben sicherer, kompetenter und selbstbestimmter leben können“, sagte Kruse und nannte als Beispiele unter anderen die Möglichkeiten der Telemedizin, Computerspiele zur Unterstützung von Reha- Maßnahmen oder Pflegeassistenzsysteme, die im Notfall Sicherheit bieten, wenn Ältere noch eigenständig zu Hause wohnen.

Digital fit im Alter - dazu will auch der Workshop des Senioren Computer Clubs Berlin-Mitte beitragen, hier sein Koordinator Günter Voß.
Digital fit im Alter - dazu will auch der Workshop des Senioren Computer Clubs Berlin-Mitte beitragen, hier sein Koordinator Günter Voß.

© Kitty Kleist-Heinrich

Der Gerontologe verwies darauf, dass Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit auch in höherem Lebensalter noch gegeben seien, so dass Menschen auch dann „die Möglichkeit haben, sich mit neuen Technologien kompetent auseinanderzusetzen“. Dafür aber seien gute Bildungsangebote nötig.

Für die plädierte auch der frühere Minister und Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, Franz Müntefering. „Der Bericht ist gut, aber jetzt muss auch etwas passieren“, erklärte er. Gefordert seien Bund, Länder und Kommunen sowie die Gesellschaft selbst. Die erste Voraussetzung sei, dass Breitband und Mobilfunk flächendeckend funktionierten, erklärte Müntefering und fügte hinzu: „Das ist jetzt auch wirklich mal an der Zeit.“ Gerade dort, wo die meisten Alten wohnten, seien „die Bedingungen der Grundausstattung am schlechtesten“. Für Ältere bedeute es Lebensqualität, nicht am Rand, sondern Teil der Gesellschaft zu sein. 

Gleichzeitig appellierte Müntefering an die Senioren, sich selbst mit den Chancen auseinanderzusetzen und die Nutzung digitaler Angebote zu lernen. Deshalb gelte: „Wir haben die Pflicht als Gesellschaft, den Menschen im Älterwerden die Möglichkeit zu geben, auf der Höhe der Zeit zu bleiben.“ Zugleich warnte er, Senioren Bildungsangebote aufzuzwingen. Es gebe auch ein Recht, zurückhaltend bis ablehnend zu sein: „Das müssen wir auch akzeptieren.“

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Laut der Familienministerin bemüht sich die Bundesregierung auf vielen Ebenen, Digitalangebote auch für Ältere voranzubringen. Konkret nannte sie den Netzausbau, Digitalschulung und -ausstattung im Pflegebereich, digitale Schulungsangebote für Senioren in Mehrgenerationenhäuser („Digitale Engel“), die Förderung von Modellstandorten zum digitalgestützten Wohnen – und Publikationen aus ihrem Ministerium: Die sowohl in Print wie auch Online verfügbare Broschüre mit dem Titel „Nie zu alt fürs Internet“ sei in ihrem Haus „der Verkaufsschlager“, erklärte Giffey.

"Doch mal Kontakt mit den Enkeln aufnehmen"

In den Altersbericht waren keine Daten aus der Zeit der Coronakrise eingeflossen. Trotzdem waren bei seiner Vorstellung auch Verhaltensänderungen der älteren Generation ein Thema, mit dem diese auf die Einschränkungen in Krisenzeiten reagiert hatten. Ältere Menschen seien von der Pandemie als Risikogruppe besonders betroffen gewesen, sagte Giffey. Viele hätten sich dann dazu aufgerafft, sich mit neuer Technologie vertraut zu machen. Angesichts der Empfehlung, keine direkte Begegnung mit jungen Menschen zu riskieren, hätten sie es digital gewagt: „Jetzt muss ich vielleicht doch mal Kontakt mit meinen Enkeln aufzunehmen.“

Gerontologe Kruse argumentierte: „Covid 19 hat uns gezeigt, wie entscheidend eine gute Ausstattung mit digitaler Technologie ist.“ Wer in seinem Verhalten Risiken minimieren wolle, könne nur unter guten technischen Bedingungen kommunizieren und am gesellschaftlichen Austausch teilnehmen.  

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