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Serbien vor der Wahl: Schwacher Dinar, schwächelnder Präsident

Serbien wählt im Zeichen der Wirtschaftskrise: Mit vollmundigen Versprechungen will Boris Tadic dennoch im Amt bleiben.

Diesmal könnte die Rechnung von Serbiens Präsident Boris Tadic nicht aufgehen. In den vergangenen Jahren kämpfte er geradezu verbissen für eine Annäherung seines Landes an die EU, denn mit dem Versprechen, die Serben aus ihrer jahrzehntelangen Isolation zu befreien, schaffte er es immer wieder, die Wähler hinter sich zu bringen. Er lieferte sogar die beiden meistgesuchten Kriegsverbrecher Radovan Karadzic und Radko Mladic an Den Haag aus, was Serbien im März endlich den ersehnten EU-Kandidatenstatus einbrachte. Dennoch sieht es bei der Präsidentschaftswahl an diesem Sonntag für Tadic schlecht aus. Er selbst machte zwar mit einem vorzeitigen Rücktritt den Weg frei für die Wahl von Präsident, Parlament und Kommunen, jedoch nur, weil er seine Chancen auf eine Wiederwahl mit jedem weiteren Monat des Abwartens weiter schwinden sah. Sein ärgster Konkurrent, Tomislav Nikolic, einst ein radikaler Nationalist, der sich heute wie Tadic proeuropäisch gibt, liegt in Umfragen klar vorn. Schon bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen 2008 konnte er Nikolic nur knapp schlagen, Tadics Demokratische Partei (DS) ist seither auf eine Koalition mit den reformierten Sozialisten des einstigen Diktators Slobodan Milosevic angewiesen.

Nikolic, Chef der von ihm gegründeten Fortschrittspartei, war 2008 aus der Radikalen Partei des in Den Haag inhaftierten Vojislav Šešelj ausgeschlossen worden, weil er Serbiens Zukunft im Westen sah. Anders als Tadic versucht Nikolic im Wahlkampf aber nicht mit dem Thema EU zu punkten, er konzentriert sich vielmehr darauf, die Wirtschaftspolitik der Regierung zu kritisieren. Sinkende Reallöhne, eine Arbeitslosenquote von 24 Prozent und der schwache Dinar bieten dafür eine ganze Reihe von Ansatzpunkten: „Die wirtschaftliche Bilanz der vergangenen vier Jahre unter Tadic fällt in den Augen der meisten Bürger schlecht aus“, analysiert der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Belgrad, Henri Bohnet. Konkret wirft Nikolic seinem Konkurrenten vor, nicht genug gegen Armut zu unternehmen und „kriminelle“ Privatisierungen mitgetragen zu haben. „Ich möchte unser Land nach dem Modell Deutschlands organisieren, (…) wo es ein gutes Wirtschaftssystem gibt und Richter nicht unter dem Einfluss von Regierung und Kriminellen stehen“, sagte Nikolic laut Bericht des Radiosenders B92.

Tadic hat den Angriffen nur wenig entgegenzusetzen. Er sieht Serbien im Sog der europaweiten Krise – und klammert sich weiter an die EU-Annäherung. Mit präsidialer Attitüde und optimistischen Zielmarken tritt er im Wahlkampf die Flucht nach vorn an. Ende 2012 würden die Beitrittsgespräche mit der EU beginnen und innerhalb von fünf Jahren zum Abschluss kommen, verspricht er. Im selben Zeitraum will er die serbischen Exporte verdoppeln und die Zahl der Hochschulabgänger ebenso. Dass all dies recht ehrgeizig ist, gesteht der Amtsinhaber ein: „Deshalb sollte Serbien von einer Person regiert werden, die eine klare Entwicklungsstrategie bis 2017 hat“, sagte Tadic.

Für die EU und ihre Mitgliedsländer zählt vor allem, ob und wie nach dem 6. Mai der Dialog mit dem seit vier Jahren unabhängigen Kosovo fortgesetzt wird. Die amtierenden Kräfte in Belgrad hatten einen solchen immerhin begonnen und einige praktische Vereinbarungen mit Pristina getroffen, etwa zur Abwicklung des Zoll- und Grenzverkehrs. Eine Anerkennung des Kosovo lehnen sie aber nach wie vor ab. Dass Nikolic nun angekündigt hat, als Präsident direkte Gespräche mit Pristina über den Status des Kosovo aufnehmen zu wollen, dürfte in den EU-Hauptstädten mit Erleichterung registriert worden sein. Ebenso wie Tadic akzeptiert Nikolic, dass die Serben im Norden des Kosovo, die sich weiter als Teil Serbiens sehen und auch serbische Pässe besitzen, am Sonntag nur über das serbische Parlament und den Präsidenten abstimmen. Kommunalwahlen soll es dort nicht geben. Was die Kosovo-Serben selbst dazu sagen, steht auf einem anderen Blatt. Deutsche und Österreicher verstärkten vor der Wahl ihre Truppen im Norden des Kosovo, um Gewaltausbrüche bereits im Keim ersticken zu können.

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